19.30 Uhr in der Mehrzweckhalle in Boniswil am Hallwylersee: Die Musikgesellschaft spielt auf der Bühne schmissige Märsche und sorgt so für etwas Feststimmung in der nüchternen, halbleeren Halle.
60 Personen treffen ein, auch um den Worten von SVP-Parteipräsident Albert Rösti zuzuhören, der als Gastreferent bei der Bezirkspartei auftritt. Bis zu den Eidgenössischen Wahlen dauert es zwar noch gut 500 Tage. Von einer Krise der SVP sprechen die Mitglieder nicht, eher von einem Formtief.
Moderater zu politisieren bringt unter dem Strich mehr, als zu poltern.
Woran liegts? Am Stil, sagt Peter Wernli: «Moderater zu politisieren, bringt unter dem Strich mehr als zu poltern.» Die SVP solle mehr Sachpolitik machen und zu einem Problem auch eine Lösung finden. «Wenn man versucht, sich mit den anderen Parteien zu arrangieren, dann gibt es eine Lösung», ist er überzeugt.
Die Daueropposition bringe es nicht, sagt Wernli. Tischkollege Ueli Vögeli pflichtet ihm bei. Die scharfen Töne, wie sie jetzt wieder im Vorwahlkampf zu hören seien – Ausmisten, Saustall, Gaunersyndikat – behagen dem Egliswiler Gemeinderat nicht. «Ich könnte mir vorstellen, dass das abschreckend ist.»
Das sei nicht sein Stil, so Vögeli: «Es ist nicht das Vokabular, das ich gut finde. Am Ende ist es der Ton, der die Musik macht. Die Exponenten, die so auftreten, müssen sich durchaus die Frage gefallen lassen, ob das der richtige Weg ist.»
Ich habe, muss ich ehrlich sagen, lange Mühe gehabt mit Christoph Blocher.
Auch am Tisch gegenüber ist der Politstil das Thema. Claudia Kunz aus Niederlenz ist noch nicht lange in der SVP. «Ich habe, muss ich ehrlich sagen, lange Mühe gehabt mit Christoph Blocher. Er hat mit seiner Art, die ja auch sein Naturell ist, die Leute teilweise fast verscheucht.» Diese Leute gelte es jetzt wieder zu holen, indem man klar in der Sache, aber moderat im Stil auftrete.
Nicht nur für Kunz ist die Ära Blocher vorbei. Das sehen auch viele andere so im Saal. Man habe ihm zwar viel zu verdanken, aber nun brauche es neue Köpfe.
Die SVP ist von mir aus gesehen eine absolut umweltfreundliche Partei.
Rösti ist für viele SVP-Mitglieder in Boniswil so ein neuer Kopf; Hardliner und Wahlkampfleiter Adrian Amstutz weniger. Noch wichtiger als die Stilfrage ist aber für Beat Feldmann aus Möriken-Wildegg die Themenwahl seiner Partei.
Nur immer EU, Zuwanderung und Flüchtlinge, das sei zu einfach, so Feldmann: «Es klingt vielleicht etwas hellgrün, aber man müsste den Umweltschutz mehr zum Thema machen. Die SVP ist eine absolut umweltfreundliche Partei, von mir aus gesehen.» Man müsse auch die Wirtschaft mehr zum Thema machen: «Und zwar die Wirtschaft zusammen mit der EU, in der Konsequenz.»
Feldmann arbeitet auf dem Bau mit Kollegen aus über 20 Nationen. Er kritisiert die seiner Meinung nach zu tiefen Löhne. Schuld sei die Personenfreizügigkeit. Diese negativen Auswirkungen gelte es aufzuzeigen, anstatt die Zuwanderer zu Sündenböcken zu machen, wie es die SVP bisher zu stark mache.
Wenn Sie in den Saal schauen: Das ist eine AHV-Veranstaltung!
Der 79-jährige Hans Hartmeier spricht ein anderes Problem an: «Wir können die Jungen nicht mobilisieren. Wenn Sie in den Saal schauen: Das ist eine AHV-Veranstaltung!» Hartmeier glaubt auch zu wissen, weshalb die SVP die Jungen nicht erreicht: «Wir haben seit Jahren dieselben Themen. Wenn man zum Beispiel das Flüchtlingsthema anschaut: Die Jungen sind da viel lockerer.»
Fazit aus der Mehrzweckhalle in Boniswil: Die Mehrheit ist der Meinung, dass sich ihre SVP themenmässig breiter aufstellen muss für die nächsten Wahlen. Und sie soll künftig etwas weniger provozieren.
Die Stilfrage ist keine Frage.
Und was sagt SVP-Präsident Rösti zu dieser Kritik von der Basis? «Die Stilfrage ist keine Frage», wehrt er sich. Es gehe darum, inhaltlich «gradlinig» zu politisieren. «Da gibt es Typen wie mich, denen man nicht abkaufen würde, wenn sie plötzlich mit der Faust auf den Tisch hauen würden. Und es gibt den Amstutz, der halt etwas anders ist. So müssen wir alle Segmente abholen.»
Was die Themenpalette betrifft, zeigt sich Rösti offener: «Man muss nicht das Programm ändern, aber vielleicht Themen, die im Moment aktueller sind, etwas mehr hervorstreichen.» Ein Indiz dafür war seine Rede: Neben den zu erwartenden Themen Sicherheit, Flüchtlinge und Zuwanderung hat Rösti auch ausführlich die Sanierung der AHV thematisiert.