Vor fünf Jahren sorgte der sogenannte Tankstellenmord von Zürich für Aufsehen: Die Frau des Tankstellenbesitzers wurde von einer unbekannten Person mit einem Küchenmesser erstochen. Die Mutter von zwei Mädchen starb noch bevor die Rettungskräfte eintrafen. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren, aber auch ein Zeugenaufruf bei «Aktenzeichen XY» half nichts. Die Polizei tappt seither im Dunkeln.
Nun geht der Mann der getöteten Frau in die Offensive. Er bietet 100'000 Franken aus seinem privaten Vermögen für Hinweise, die zur Täterschaft führen. Was bedeute das für die Justiz, wenn die Opfer die Ermittlungen mit Belohnungen am Laufen halten müssen?
Letzte Hoffnung für hoffnungslose Fälle
Bis zu einem gewissen Grad habe das auch die Polizei schon immer gemacht, erklärt Strafrechtsprofessor Martin Kilias im Gespräch mit SRF. Es gebe Fälle, da könne man nur noch hoffen, gegen Geld einen Tipp einer Person aus dem Umfeld zu erhalten.
Dass durch die Ausschreibung solcher Belohnungen die Gefahr bestehe, dass die Ermittler künftig nur noch gute Informationen gegen gutes Geld erhalten, glaubt Kilias nicht. Mitinformierte würden nicht so zynisch planen und erst sprechen, wenn die Belohnung eine gewisse Höhe erreicht habe.
Aber es gebe kaum Studien zu diesem Thema, gibt der Strafrechtsprofessor zu bedenken. «Wir haben immer Vorstellungen, was die Polizei bewirken könnte, wenn sie dies und das tut. Aber letztendlich haben wir enttäuschend wenig gesichertes Wissen.»
Vorstufe der Zweitklassenjustiz?
«Zu einem gewissen Grad für plausibel» hält Kilias die These, dass die Ausschreibung von so hohen Belohnungen durch Private eine Vorstufe zur Zweitklassenjustiz sei. Dennoch: «Es ist nicht so, dass die Polizei nichts tut», stellt der Strafrechtsprofessor klar. Die Ermittlungen mache die Polizei sowieso.
Aber in gewissen Fällen komme die Polizei mit den üblichen Methoden wie Spurenauswertungen oder Datenbanken konsultieren einfach nicht weiter. Durch das Ausschreiben einer Belohnung korrumpiere man aber nicht die Polizei, sondern das Milieu, stellt Kilias klar.