Teilautonomes Fahren - Wenn der Fahrassistent zum Gegner wird
Der Notbremsassistent eines Reisecars löst auf einer Autobahnauffahrt unbegründet eine Notbremsung aus. Die Staatsanwältin sieht die Schuld beim Fahrer.
Car-Chauffeur Rudolf Trummer fährt letzten Sommer eine Gesellschaft sicher durch den Luzernern Stadtverkehr. Es ist kurz vor 22 Uhr, als er auf die Autobahn A2 Richtung Basel auffährt. Freie Fahrt für den erfahrenen Reisecar-Fahrer, er beschleunigt.
Aus dem Nichts, kurz vor einer Tunneleinfahrt, schlägt der Notbremsassistent Alarm: Eine rot blinkende Ampel auf dem Armaturenbrett. Ein hektisches Alarmhorn im Führerraum. Weil offensichtlich keine Gefahr besteht, reagiert der Chauffeur, wie es das Handbuch vorsieht: «Ich versuchte den Notbremsassistenten zu übersteuern und gab weiter Gas», erklärt der Fahrer, der vierzig Jahre unfallfrei unterwegs ist. «Es ist nicht das erste Mal, dass der Notbremsassistent aus dem Nichts eine Notbremsung einleiten will. Das Einzige, das dabei hilft, ist Vollgas geben», erklärt Trummer gegenüber «Kassensturz».
Ich bin sicher, dass ich Gas gegeben habe.
Video zeigt: Es bestand kein Grund für Notbremsung
Obwohl der Chauffeur Gas gibt, löst der Fahrassistent die Notbremsung aus: von knapp 60 km/h auf 0 km/h – in 4,5 Sekunden. Ein Passagier, der sich während der Fahrt losgegurtet hat, fliegt in die Frontscheibe. Zum Glück verletzt sich dieser nur leicht.
Zwei Videos des Vorfalls belegen: Auf der Strasse bestand keine Gefahr, kein Hindernis in Sicht. «So kann ich jetzt beweisen, dass der Notbremsassistent unbegründet und aus dem Nichts gebremst hat.»
Vor der Staatsanwaltschaft Luzern nützt ihm das nichts. Diese stellt gegen den Chauffeur einen Strafbefehl aus. «Nichtbeherrschen des Fahrzeuges», so das Verdikt. Der langjährige Car-Chauffeur kann das nicht akzeptieren und hat dagegen Einsprache eingelegt. «Würde ich die 2500 Franken Busse und Gebühren bezahlen, würde ich gleichzeitig eingestehen, dass ich Mist gebaut habe. Und das habe ich nicht.»
Geblitzt und gebüsst - Tesla-Tempomat macht, was er will
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Martin Steinmann ist grundsätzlich zufrieden mit seinem Elektroauto. Doch der Tempomat seines Teslas hat ihm nun juristische Schwierigkeiten eingebrockt. Sein Fahrzeug beschleunigte ohne sein Zutun von sich aus. «Von den eingestellten 60 Kilometern pro Stunde auf dem Tempomat wollte der Tesla auf 103 beschleunigen, ohne Warnung», wie Steinemann in der Sendung «Kassensturz» erzählt.
Geschwindigkeitsbusse wegen eigenmächtigem Tesla
Nach etwa einer Sekunde habe er dies realisiert, doch da war es schon zu spät. Da er zu dem Zeitpunkt ausgerechnet an einem Radarkasten vorbeifuhr, wurde Steinmann geblitzt. Trotz seines Eingreifens war er noch leicht zu schnell unterwegs. Auch wenn die Busse relativ gering ausfiel, will er den Vorfall so nicht akzeptieren.
Martin Steinemann geht es ums Prinzip. Er kann beweisen, dass nicht er für die zu hohe Geschwindigkeit verantwortlich ist, sondern sein Auto. Dies belegen die Fahrdaten, die er von Tesla mühselig eingefordert hat. Deshalb hat er die Busse nicht bezahlt – mit allen juristischen Konsequenzen.
Grosse Herausforderung für FahrerInnen
Rechtswissenschaftlerin Nadine Zurkinden erklärt, grundsätzlich trage die Person am Steuer immer die Verantwortung. Diese müsse bei Gefahr immer sofort reagieren. Betreffend Notbremsung gebe es in der Rechtsprechung entsprechende Urteile. Man gehe dort von einer Reaktionszeit von einer Sekunde aus. Mit den autonomen Fahrzeugen komme aber eine neue Ebene hinzu. «Jetzt kommt neu dazu, dass das Auto etwas macht. Das heisst, der Mensch im Auto muss dies merken und dann darauf reagieren», sagt Zurkinden. Es brauche nun Sachverständige, die empirisch untersuchen würden, wie schnell ein Mensch so etwas überhaupt merken und rechtzeitig darauf reagieren könne.
Die zuständige Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden wollte aufgrund des laufenden Verfahrens zum Fall nichts sagen. Sie schreibt jedoch «Kassensturz»: «Die grösste Herausforderung besteht darin, zu prüfen, ob einer Lenkerin oder einem Lenker die Tat persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann.» Dabei habe die Staatsanwaltschaft allerdings vor Augen, dass von einer Lenkerin oder einem Lenker nichts Menschenunmögliches verlangt werden könne. «Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, sowohl entlastende wie auch belastende Umstände mit gleicher Sorgfalt abzuklären. In jedem einzelnen Fall gilt die Unschuldsvermutung.»
Und was sagt Tesla dazu, dass eines ihrer Fahrzeuge von sich aus beschleunigt? Nichts. Das US-Unternehmen wollte den Fall trotz mehrerer Anfragen nicht kommentieren.
Aussage gegen Aussage – Fahrer am kürzeren Hebel
«Ich bin sicher, dass ich Gas gegeben habe, alles andere macht keinen Sinn», enerviert sich Trummer. Er sieht sich in der unsäglichen Rolle, dies zu beweisen. Denn der Hersteller des Busses, Setra-Daimler, behauptet gegenüber der Staatsanwaltschaft, der Fahrer habe das System nicht übersteuert.
Gegenüber «Kassensturz» schreibt Daimler: «Die Notbremsung wurde erst nach einer Vorwarnung und Vorlaufzeit ausgelöst, während derer der Fahrer bereits die Möglichkeit hatte, die Warnkaskade zu unterbrechen. Auch während der Notbremsung hatte der Fahrer weiterhin die Möglichkeit, jederzeit die eingeleitete Bremsung zu unterbrechen. Eine Unterbrechung ist jedoch seitens des Fahrers nicht erfolgt.» Einen Beleg für diese Aussage legt Setra-Daimler auch auf Nachfrage nicht vor.
Die zuständige Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gibt aufgrund des laufenden Verfahrens keine Auskünfte. Rudolf Trummer hat den Strafbefehl nun weiter vor Gericht gezogen: «Ich bin gespannt, was da rauskommt. Denn ich bin noch immer überzeugt, dass ich richtig gehandelt habe und gar nichts anderes machbar war.»
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