Von steigenden Sozialausgaben ist normalerweise in den Mitteilungen von Gemeinden und Städten zu lesen. Da erstaunen Meldungen aus Wettingen und Spreitenbach: Diese Aargauer Gemeinden haben im Jahr 2020 für die Sozialhilfe deutlich weniger ausgegeben als budgetiert. Eine Million Franken beträgt die Einsparung in Wettingen, gleich drei Millionen in Spreitenbach. In einer Gemeinde also, welche viele Jahre eine sehr hohe Sozialhilfequote auswies.
Man habe gezielt in die Begleitung von Sozialhilfebeziehenden investiert, so der zuständige Gemeinderat Edgar Benz: «Man muss manchmal zuerst säen, damit man ernten kann.» Spreitenbach arbeite mit Firmen zusammen, welche Langzeitarbeitslose beim Wiedereinstieg ins Berufsleben begleiten. Auch Wettingen geht diesen Weg.
Professionalisierung und Kontrolle
Mit dieser Massnahme allein lassen sich die Einsparungen aber nicht erklären. Beide Gemeinden haben ihre Sozialdienste professionalisiert und ausgebaut oder gewisse Bereiche ausgelagert. Die Betreuungspersonen haben somit mehr Zeit für die einzelnen Fälle.
Spreitenbach schaue auch genau hin und sei ziemlich streng: «Wir bewegen uns eher am unteren Ende der SKOS-Richtlinien (Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe) und erfüllen nicht grosszügig zusätzliche Wünsche», erklärt Gemeinderat Benz. Die Gemeinde kontrolliere, ob die Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger ihren Pflichten nachkämen. Man sanktioniere finanziell, wenn jemand nicht zu einem Termin mit dem Sozialdienst erscheine.
Zurückzahlen anstatt Auto kaufen
Spreitenbach und Wettingen fordern ausbezahlte Sozialhilfe auch wieder zurück. Zum Beispiel, wenn sich jemand die Pensionskasse auszahlen lässt, sogenannte Freizügigkeitsleistungen. Es gebe Fälle, in denen das Geld nicht wie vorgesehen für das Leben im Alter eingesetzt werde, sagt Markus Haas, welcher im Gemeinderat Wettingen das Ressort Soziales verantwortet. «Man muss jene Gemeinden verstehen, welche darauf zurückgreifen, bevor ein Auto gekauft, teure Ferien gebucht oder den Kindern ein Erbvorbezug gewährt wird.»
Die strengeren Kontrollen und die Massnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt kommen aber nicht überall nur gut an. Wenn Sozialhilfebeziehende wieder auf eigenen Beinen stehen könnten, sei dies natürlich zu begrüssen, meint etwa Tobias Hobi von der Unabhängigen Fachstelle für Sozialhilferecht. Dass ausgerechnet diese Personen in der Coronakrise vermehrt eine Arbeit finden, das bezweifle er aber.
Angst und Stigmatisierung?
Als «Unding» bezeichnet Hobi, wenn Gemeinden die Freizügigkeitsleistungen zurückfordern. «Diese Leute haben zum Teil richtiggehend Angst vor den Sozialämtern. Dort unterschreiben sie ein Formular, dass sie mehrere 10'000 oder gar über 100'000 Franken zurückzahlen. Dabei müssten sie dies gar nicht.»
Dieses Vorgehen kritisiert auch Fabienne Notter, Geschäftsleiterin der Caritas Aargau. Und zu den Kontrollen und Sanktionen meint sie: «Wir haben das Gefühl, dass eine Stigmatisierung stattfindet. Dass man Sozialhilfebeziehende vermehrt unter Missbrauchsverdacht stellt.» Anstelle von qualitativer Beratung würden Druckmittel ins Zentrum gerückt.
Einig sind sich aber alle Befragten: Wenn Sozialdienste so organisiert sind, dass Betreuungspersonen mehr Zeit für die einzelnen Fälle haben, dann ist damit Gemeinden und Sozialhilfebeziehenden geholfen.