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Umstrittener Migrationspakt Bundesrat muss Kritik einstecken

Der Nationalrat hat über den UNO-Migrationspakt debattiert – mit Seitenhieben gegen den Aussenminister.

Die Konfliktlinien hatte der Ständerat bereits vorgezeichnet: Da die Befürworter, die durch das Papier eine Stärkung des Völkerrechtes gerade auch in Unrechtsstaaten erhoffen. Dort die Gegner des Migrationspaktes, die davor warnten, dass der rechtlich nicht verbindliche Pakt einmal zu umfangreichen politischen Forderungen führen könnte.

Was ist der Migrationspakt?

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Der «Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration» der UNO legt Grundsätze im Umgang mit Migranten (und nicht Flüchtlingen) fest. Er soll dem Umstand Rechnung tragen, dass Migration ein globales Phänomen ist und nicht von einem einzelnen Staat gesteuert werden kann. Dieser Kooperationsrahmen ist rechtlich allerdings nicht bindend, die Souveränität der Staaten wird gewahrt, wie es im Dokument ausdrücklich heisst. In den 23 Zielen werden der Schutz und die Rechte von Migranten betont. Wichtige Elemente sind der Kampf gegen Arbeitsausbeutung, Menschenhandel und Diskriminierung sowie auch die Ausweitung der Möglichkeiten zur regulären Migration. Der Pakt fordert aber auch eine bessere Datenlage zu Migrationsprozessen. Zudem will er die Fluchtursachen bekämpfen, und er betont das Ziel eines «ganzheitlichen, sicheren und koordinierten Grenzschutzes». Geplant ist, dass der Pakt kommende Woche in Marrakesch verabschiedet wird. Neun Länder wollen ihn nicht unterzeichnen.

Andreas Glarner (SVP/AG) musste auf Nachhaken von Ratskollegin Margret Kiener Nellen den Begriff Soft Law erklären und fügte an: «Aber Sie kennen die Schweiz. Die Schweiz wird immer musterschülergetreu auch solches Recht umsetzen.»

Und Thomas Aeschi (SVP/ZG), der mit einer Motion den definitiven Verzicht der Unterzeichnung fordert, warnte, dass aus einem Pakt plötzlich ein immer verbindlicherer Standard werden könnte.

Die Basler Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne) wies hingegen darauf hin, dass es sich nicht um einen Staatsvertrag handle und die Schweiz sowieso fast alle Kriterien bereits erfülle – ausser bei den Haftbedingungen und der Ausschaffung Minderjähriger.

Auch für Martin Landolt (BDP/BE) ist der Migrationspakt ein unverbindliches Dokument, mit «teilweise blauäugigen Forderungen». Das erfahre man, wenn man ihn und nicht die Berichte darüber lesen würde.

Landolt verlangte aber vom Bundesrat mehr Aufklärung, um Missverständnisse und Unsicherheiten aus den Weg zu räumen: «So viel Zeit muss sein.» Dasselbe forderten auch Vertreter von CVP und FDP.

Sie wollen deshalb eine Motion der vorberatenden Kommission unterstützen, die den Bundesrat auffordert, den Uno-Migrationspakt am 10./11. Dezember 2018 in Marokko vorerst nicht zuzustimmen und dem Parlament den Antrag auf Zustimmung in Form eines Bundesbeschlusses zu unterbreiten.

«Inkohärente Aussenpolitik»

Der Bundesrat – namentlich Aussenminister Ignazio Cassis – musste weitere Schelte einstecken, so von Seiten der SP: «Was sich der Bundesrat geleistet hat, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten», schimpfte Fabian Molina (SP/ZH): «Zuerst sagt der Aussenminister, er finde den Pakt unnötig. Dann, man müsse es analysieren. Dann sagt er, die Schweiz erfülle die Anforderungen bereits. Dann beschliesst er nach Marrakesch zur Unterzeichnung zu reisen, um wieder abzusagen.» Eine kohärente Aussenpolitik sehe anders aus.

Beat Flach (GLP/AG) erinnerte den Bundesrat daran, dass Politik kein Medikamentenbeipackzettel sei, bei dem man nachsehen müsse, ob Nebenwirkungen zu befürchten seien.

Stellung zur Kritik konnte Aussenminister Cassis noch nicht beziehen. Im Ständerat hatte er festgestellt, mit dem Pakt werde die Migration weder eingedämmt noch gefördert. Das Ziel sei es, die irreguläre Migration zu Gunsten der regulären zu reduzieren.

Die Debatte wurde aus Zeitgründen abgebrochen. Ein Entscheid soll am Dienstag fallen. Es zeichnet sich ab, dass der Nationalrat der kleinen Kammer folgt. Diese will das internationale Vertragswerk der Bundesversammlung vorlegen.

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