Kein Platz im Zugabteil, verstopfte Strassen, immer mehr Menschen unterwegs. Sind Geschwindigkeitsbeschränkungen wie Tempo 30 innerorts, Verkehrsdosierungssysteme, Mobility Pricing oder teurere Zugbillette Lösungen für das Verkehrsproblem?
«Arena»-Moderator Mario Grossniklaus wollte von den eingeladenen Politikern wissen, welche Rezepte sie auf Lager haben – und welche Visionen. So lautete die erste Frage denn auch, wie die Gäste die Mobilität im Jahr 2050 sehen würden.
Die Vision von Evi Allemann ist ein umweltfreundlicherer Verkehr: Autos, die nicht mit Benzin oder Diesel angetrieben werden, garantierte Mobilität für alle, aber nicht mehr Verkehr als heute. Wichtiges Mittel sind für die Präsidentin des VCS Geschwindigkeitsbeschränkungen. Tempo 30 sorge innerorts für mehr Sicherheit, sagte sie. Auf Autobahnen solle das maximale Tempo bei hohem Verkehrsaufkommen auf 80 km/h reduziert werden.
Für die Verkehrspolitik der letzten Jahre hatte Allemann nur Kritik übrig: Es sei nur ums «Strassen bauen, Strassen bauen, Strassen bauen» gegangen. Es brauche aber einen Mix von öffentlichem und Privatverkehr. Im Übrigen könnten die Probleme nicht mit Verkehrspolitik alleine gelöst werden.
Es seien auch raumplanerische Massnahmen nötig. Wohnraum solle dort geschaffen werden, wo Menschen arbeiten würden, forderte die SP-Nationalrätin. Zudem würden flexiblere Arbeitszeitmodelle und Homeoffice dafür sorgen, dass Arbeitnehmer nicht alle zu den gleichen Zeiten pendeln und die Züge verstopfen würden. Anreize sollten auch über Sparbillette in den Randzeiten geschaffen werden. Verteuerungen zu Spitzenzeiten steht Allemann skeptisch gegenüber, da würde niemand mehr Zug fahren, argumentierte sie.
Ähnliche Ziele hat Balthasar Glättli . Für den Nationalrat der Grünen sollen die neuen technischen Möglichkeiten dafür sorgen, dass unnötige Mobilität vermieden wird. Zum Beispiel dadurch, dass vermehrt auch von zu Hause aus gearbeitet werde, erklärte er. Glättli hat zudem die Vision, dass Autos in Zukunft gemeinsam genutzt werden. «Es ist doch idiotisch, wenn man drei Tonnen Material braucht, um 80 Kilogramm Lebendgewicht zu transportieren», argumentierte der Grüne.
Auch Glättli ist ein vehementer Verfechter von Tempo 30 innerorts. Dies sei die einzige Variante, kostengünstig oder gar gratis den Lärm zu bekämpfen. Bauliche Lärmschutzmassnahmen würden Millionen verschlingen. Mit Tempo 30 verflüssige sich zudem den Verkehr. Man komme so in Städten vorwärts – wenn auch langsam, wie er einräumte. Denn bei geringeren Tempo könne man näher aufeinander fahren. So erhöhe sich auch die Kapazität des Verkehrs. Mobility Pricing findet Glättli nur sinnvoll, wenn es lenkt. Durch die Einnahmen dürften nicht neue Strassen oder Schienen finanziert würden.
Dass «immer das Auto verteufelt» werde, dagegen wehrte sich Thomas Hurter , SVP-Nationalrat (BE) und Präsident des Automobilclubs der Schweiz (ACS). Die Schweiz sei das Land, in denen alle gleich sind, folglich dürfe man dem Bürger auch nicht seine Art der Mobilität vorschreiben. Hurter zeigte sich aber überzeugt, dass in Zukunft ein Mobilitätsmix Erfolg bringen werde. Nur so könne die Kapazität des Verkehrs erhöht werden.
Nicht gut zu sprechen war Hurter auf Tempo 30: Die Limiten würden von den Gemeinden als billige Lärmschutzmassnahme missbraucht, unter dem Vorwand des Sicherheitsaspekts. Der Verkehr werde dadurch nur behindert, vor allem, wenn zu den Tempolimiten noch Verkehrshindernisse kämen: «Jedes Auto, dass an einer Schwelle anhalten muss, ist lauter als eines, das durchfahren kann», sagte der Präsident des Automobilclubs.
Hindernisse will Hurter auch auf den Autobahnen abschaffen. Um Staus zu verhindern, seien dynamische Signalisationen durchaus sinnvoll. Aber es sei nur eine Massnahme. Es müsse auch erlaubt werden, rechts vorbeizufahren.
Viel Hoffnung in die modernen Technologien setzt Andreas Burgener. «Die Automobilbranche ist sehr innovativ», lobte der Direktor der Vereinigung der offiziellen Automobil-Importeure. Elektroautos, automatisiertes Fahren oder Flüsterbeläge würden auch Lärmreduktionen und mehr Sicherheit bringen.
Verkehrspolitische Massnahmen sieht er kritisch und hat eigene Forderungen: Temporeduktionen für flüssigeren Verkehr – so wie Glättli argumentiert –, davon hält Burgener nichts. Für Verflüssigung sei eine Verkürzung des Abstands zwischen den Fahrzeugen nötig – auch bei höheren Geschwindigkeiten. «Die Elektronik muss uns dabei helfen.» Burgener gibt allerdings zu, dass dies Zukunftsmusik sei.