Wer mit dem Auto trotz roter Ampel weiterfährt, bezahlt 250 Franken Busse. Mit dem Velo hingegen kostet die gleiche Übertretung nur 60 Franken. Die unterschiedliche Behandlung bringt viele Autofahrer in Rage. Die Zürcher Taxifahrerin Dolores Zanini ist eine von ihnen.
Jeden Tag fährt sie ihre Kilometer in der Stadt Zürich ab und ist überzeugt: Die tiefen Bussen und ausbleibende Verkehrskontrollen machen es aus, dass sich Velofahrer kaum an Verkehrsregeln halten. «Wir Autofahrer werden beim kleinsten Vergehen sofort gebüsst, während sich die Velofahrer scheinbar ungehindert alle Freiheiten rausnehmen», so Zanini.
Der Bussenkatalog in Zahlen
Vergehen | Velofahrer | Autofahrer |
---|---|---|
Unterlassen des Handzeichens/Blinkens | 20 Fr. | 100 Fr. |
Missachtung des Fussgängervortritts bei Zebrastreifen | 40 Fr. | 140 Fr. |
Fahren in der Fussgängerzone | 30 Fr. | 100 Fr. |
Fahren auf dem Trottoir | 40 Fr. | 100 Fr. (für Motorradfahrer) |
Befahren des Busstreifens | 20 Fr. | 60 Fr. |
Überfahren der Sicherheitslinie | 40 Fr. | Verwarnung, Verzeigung oder Ausweisentzug |
Slalom auf dem Trottoir
Ein Augenschein in der Stadt Zürich zeigt, wie viele Velofahrer das Rotlicht missachten, den Fussgängerstreifen benutzen, auf dem Trottoir oder in der Fussgängerzone fahren – als ob das nicht verboten wäre. Das Fahren in der Fussgängerzone kostet den Velofahrer nur 30 Franken. Ein Automobilist müsste gleich eine Hunderternote hinblättern.
Die tiefere Busse lässt viele Velofahrer tatsächlich kalt: «Solange ich niemanden gefährde, missachte ich die Verkehrsregeln permanent, um schnell und sicher durch die Stadt zu kommen», kommentiert ein Velofahrer sein Verhalten gegenüber SRF News.
Manchmal ist es sicherer, bei Rotlicht einfach weiterzufahren.
Silas Hobi, leidenschaftlicher Velofahrer und Geschäftsleiter des Vereins Umverkehr, macht das löchrige Velowegnetz in Städten wie Zürich für die vielen Verkehrsverstösse verantwortlich. «Manchmal ist es sicherer, bei Rotlicht einfach weiterzufahren oder aufs Trottoir auszuweichen, als in der Blechlawine sein Leben zu riskieren.»
Unfallrekord bei Velofahrern
So sind auch Fussgänger vor Velos nicht sicher. Für Velofahrer, welche den Vortritt auf dem Fussgängerstreifen nicht gewähren, ist eine Busse von 40 Franken vorgesehen. Autofahrer zahlen hundert Franken mehr. Auch in der Tempo 30-Zone sollte man als Fussgänger aufpassen: E-Bikes können sehr viel schneller fahren, werden aber dennoch kaum gebüsst. Begründung der Stadtpolizei Zürich: Sie hätten keine Tachoanzeige und könnten daher gar nicht wissen, wie schnell sie seien.
In der Stadt Zürich sind im vergangenen Jahr so viele Velofahrer verunglückt wie nie zuvor, allein in den vergangenen zwei Jahren stieg dort die Zahl der Velounfälle (inkl. E-Bikes) um 50 Prozent auf 460. Zwei Drittel davon verschuldeten die Velofahrer selber.
Wernher Brucks, Leiter Verkehrssicherheit der Stadt Zürich glaubt, dass viele der Verunglückten ihr Velo zu wenig beherrschten. Zum Vorwurf Velofahrer würden kaum gebüsst, sagt er: «Es gibt viele Kontrollen, aber die Polizei kann nicht an jeder Strassenkreuzung auf fehlbare Velofahrer warten.»
Verkehrsregeln werden nur beachtet, wenn Bussen weh tun.
Im vergangenen November forderte FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann in einem politischen Vorstoss, dass schweizweit für alle Verkehrsteilnehmer dieselben Sanktionen gelten sollen. Velofahrer gleich wie Autofahrer zu behandeln geht dem Bundesrat hingegen zu weit. Beim Velo sei das Gefährdungspotential deutlich geringer als beim Auto.
Auch Silas Hobi, Geschäftsleiter von Umverkehr ist dieser Meinung. «Es stimmt nicht, dass die Velofahrer immer die Bösen sind. Autofahrer verstossen genauso oft gegen die Regeln und werden dabei auch nicht gebüsst.» Dem hält Portmann entgegen: «Klar braucht es mehr Velowege, aber Verkehrsregeln werden nur beachtet, wenn Bussen auch weh tun».