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Buhlen um Aufmerksamkeit Hier lassen junge Kandidaten alle anderen alt aussehen

Jungpolitiker sind im Parlament untervertreten. Denn im Wahlkampf haben sie gegenüber älteren Kandidaten Nachteile, weil ihre Werbekasse kleiner ist, weil sie weniger Erfahrung mitbringen, oder weniger Kontakte haben. Bei einem Wahlkampfinstrument haben sie gegenüber den Älteren allerdings einen Vorteil: auf Social Media.

Etwa Luzian Franzini, ein 23-jähriger Student aus Zug. Er kandidiert für die Jungen Grünen und macht Wahlkampf auf Twitter, Instagram und Facebook. Auf Twitter etwa greift er gerne Themen aus den Medien auf und spinnt sie weiter.

Laut Politikwissenschaftler Claude Longchamp ist ein sachorientiertes Auftreten auf Social Media zielführend: «Wenn die Form zu stark den Inhalt bestimmt, dann würde das nur ablenken.»

Aufmerksamkeit um jeden Preis

Mehr Provokationen leistet sich die 27-jährige SVP-Kandidatin Sandra Schneider. Etwa hier auf Facebook:

Die Kauffrau aus Biel sagt dazu: «Meine Beiträge sollen von den Usern gesehen werden, und je mehr Klicks ich habe, desto mehr Reichweite generiere ich.»

Mit Provokationen Interaktion anregen? Das könne an den politischen Polen das richtige Rezept sein, um im Netz aufzufallen, so Longchamp. «Ansonsten sind Provokationen für die Mitte etwas abgenutzt. Es kann sogar kontraproduktiv sein, wenn man wirklich Inhalte platzieren und damit auffallen will.»

Und doch: Jungpolitiker haben mit frechen Auftritten durchaus eine erhöhte Chance, in die Boulevardmedien zu kommen. Je nach Wellen, das ein Thema schlägt, kann ein Kandidat so auch in anderen Medien Aufmerksamkeit schaffen.

Allerdings muss sich das ein Jungpolitiker gut überlegen. «Auf Social Media geben sich die Jungpolitiker oft ein eigenes Profil, eine eigene Identität», so Longchamp.

Form dem Inhalt anpassen

Ein eigenes Profil hat sich auch schon Tobias Vögeli gegeben. Der 23-jährige Grünliberale aus dem bernischen Kappelen postet viele Videos. Er legt Wert auf gepflegtes Auftreten. Seine Videos produziert er nicht alleine, sondern mit einem Kollegen. Dazu gehören auch Untertitel und Bullets.

Tobias Vögeli punktete auf Social Media vor allem mit der Klimafrage und der Altersvorsorge. Der Politikwissenschaftler dazu: «Die meisten Jungen wollen mit Themen auffallen, die ihre Generation ansprechen. Da sind sie auf Social Media auch zielgruppengerecht unterwegs.»

Alle drei Kandidaten machen im Schnitt zwei Stunden pro Tag auf Social Media Wahlkampf. Und alle setzen verhältnismässig viel Geld ein. Luzian Franzini lässt sich seinen Onlineauftritt 1700 Franken kosten. Das ist gut die Hälfte seiner Wahlkampfmittel. Tobias Vögeli gibt ein Drittel seines Wahlkampfgeldes für Social Media aus. Sandra Schneider gibt am wenigsten aus: zehn Prozent von insgesamt 3000 Franken setzt sie ein.

Die Parteien geben im Schnitt ungefähr zwischen 10 und 15 Prozent ihres Geldes für den Wahlkampf auf Facebook, Twitter und Co. aus. Entscheidend sei aber nicht nur das Geld, sagt Longchamp.

Aktive Community ausschlaggebend

«Entscheidend ist, dass man eine Community hat, die man schon länger pflegt und welche die Botschaften dann weitertragen.» Dass aber auch Junge ab und zu mal ihre Posts bewerben, um mehr Reichweite zu erlangen, ist durchaus sinnvoll, um neue Wählergruppen zu erreichen.

Einig sind sich allerdings alle drei Kandidaten darin, dass Social Media nicht der einzige Wahlkampfkanal sein kann. Denn nur gut ein Drittel der Wählenden nutzen Social Media. Der Auftritt im Netz ersetzt also das gute alte Plakat, den direkten Kontakt oder ein Auftritt in den Medien nicht.

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