Beatrice Simon bleibt lieber Berner Regierungsrätin, als ihr Nationalratsmandat im Bundeshaus anzunehmen. Jocelyne Haller zieht das Genfer Kantonsparlament dem Nationalrat vor und auch Pierre Eckert will nicht für die Genfer Grünen nach Bern. Obwohl alle drei am 20. Oktober als Kandidaten angetreten waren.
Solche Scheinkandidaten und ihre Parteien gehören bestraft.
Unser Artikel löst in der Kommentarspalte einen Sturm der Entrüstung los: Die User verschaffen ihrem Ärger über «unehrliche Scheinkandidaten», «miserablem Charakter», «Wählermanipulation» oder gar «Verar***ung» lauthals Luft.
Verständnis gibt es – zumindest von den Kommentierenden – nur ganz vereinzelt. Zwar ist in einem nicht repräsentativen Online-Voting knapp ein Drittel der Teilnehmenden der Meinung, die Annahme der Wahl sei Sache der Gewählten. In den Kommentaren kommt freilich fast ausschliesslich die Entrüstung jener gut zwei Drittel zum Ausdruck, die das Ablehnen einer Wahl als Missachtung des Wählerwillens verstehen.
Das ist halt die Moderne, ich baue mehrere Chancen auf und nehme diejenige, die mir am liebsten ist.
Die Aufregung sei naiv, findet zwar Fritz Frei. Den Ärger der Mitkommentierenden vermag diese Erkenntnis freilich nicht im Geringsten zu mindern.
Vorschläge wider den Amtsverzicht
Viele der Userinnen und User fordern vielmehr gesetzliche Grundlagen, um die Ablehnung eines an der Urne errungenen Amtes zu verhindern. Ihre Ideen dazu sind durchaus kreativ:
- «Die beiden Damen dürften sich nie wieder für Wahlen aufstellen lassen», meint User Bruno Hochuli.
- Gar die Aberkennung aller aktuellen Ämter – wie im Fall von Beatrice Simon dem Sitz im Regierungsrat – fordert Francis Waeber.
- «Es müsste verboten sein, dass eine nicht gewählte Person derselben Partei nachrückt», schlägt Walter Matzler vor. Der Sitz solle dann nach einem festzulegenden Schlüssel an die übrigen Parteien fallen.
- Fabian Sefolosha und Georg Schneider fordern gar, sämtliche Parteistimmen abzuerkennen, wenn ein Kandidat ohne entsprechenden Grund das Amt nicht antritt.
Grosse Einigkeit und das Beispiel Blocher
Zwar verschafft sich im Schwall der Entrüstung zuweilen auch die grundsätzliche Ablehnung einzelner Gewählter oder Parteien Ausdruck. Manche Kommentierende sehen sich durch den Amtsverzicht gar in ihrem wilden Furor gegenüber der Politik und dem politischen System bestätigt.
Generell scheint der Ärger über den Amtsverzicht jedoch breiter Konsens und parteiübergreifender Natur zu sein. «Als damals Herr Blocher mit seiner fast wählerbeleidigenden Begründung zurücktrat, fand ich das auch eine Sauerei», bringt dieses Gefühl User Daniele Röthenmund auf den Punkt. «So sehe ich das auch heute, auch wenn es – wie in Genf – einen Grünen betrifft.»
Die einsamen Rufe im Wald
Und doch gibt es auch sie, die relativierenden Stimmen inmitten der Empörung. Wie jene von Userin Verena Schär, anmahnend, «auf dem Boden der Realität» zu bleiben und Taktieren auf vielen Ebenen als Bestandteil der Politik zu akzeptieren. Doch es bleiben sehr einsame, fast stille Rufe in einem ziemlich lauten und stürmischen Kommentarwald.