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Wahlen im digitalen Zeitalter Bürger haben keine «Wahlfreiheit» bei ihren Daten

Auch Schweizer Parteien sind an Daten ihrer potenziellen Wähler interessiert. Der Datenschützer fordert aber Mitsprache.

Mit Daten im Internet lassen sich Wahlen gewinnen. Das hat spätestens Donald Trump in den USA vor zwei Jahren gezeigt. Je mehr man über mögliche Wählerinnen und Wähler weiss, desto gezielter und individueller kann man sie im Netz bewerben.

Kein Wunder also, dass nun auch die politischen Parteien in der Schweiz immer stärker an Daten interessiert sind. Sie sammeln sie zum Beispiel auf ihrer eigenen Homepage. Hinsichtlich der nationalen Wahlen im Herbst will der Eidgenössische Datenbeauftragte Adrian Lobsiger dem nun Grenzen setzen. Denn laut Gesetz müssen Daten über die politische Gesinnung besonders geschützt werden.

Bisher keine Mitbestimmung

Lobsiger forderte heute in Bern ein Häkchen-System: Bürger sollten auf den Websites ein Häkchen setzen können, bevor ihre Daten weitergegeben werden und damit ausdrücklich einwilligen. Jedoch bieten Parteien diese detaillierte «Wahlfreiheit», die der Datenschützer verlangt, nicht. Man kann heute nicht entscheiden, welche Daten man über sich preisgibt.

Am transparentesten sind CVP und SVP: Sie warnen auf ihren Homepages, dass sie Daten sammeln und unter Umständen weitergeben. Dabei muss man ein Häkchen setzen, um sich damit einverstanden zu erklären. Man kann aber keine einzelnen Funktionen auswählen. FDP und SP warnen gar erst im Kleingedruckten vor Datentransfers, Wahlmöglichkeiten bieten auch sie nicht.

Was geschieht mit meinen Daten?

Verbreitet ist eine Funktion von Facebook: Die meisten Parteien integrieren eine Software von Facebook in ihre Website. Ist man bei Facebook eingeloggt und besucht die Website der Partei, erfährt das der US-Konzern. Er verkauft dann dieses Wissen unter Umständen an die Partei zurück.

Online-Campaigning – ein jüngeres Phänomen

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Das Online-Campaigning hat sich in den letzten drei Jahren bei Parteien und politischen Komitees etabliert. 2018 setzten Komitees in verschiedenen Abstimmungskämpfen auf noch weiter gehende «Spielarten»: Sie übermittelten Mail-Adressen von Sympathisantinnen und Sympathisanten an Facebook. Der Konzern wertete die dazugehörigen Facebook-Profile aus und fand Menschen, die ähnlich denken – also mögliche neue Sympathisanten. Diesen konnte das Komitee gezielt Werbebotschaften anzeigen lassen.

Die Partei kann Facebook-Werbung kaufen, die sich ausschliesslich an die Menschen richtet, die zuvor die Partei-Website besucht haben. Das ist für die Parteien attraktiv, weil sie so ohne grosse Streuverluste und mit abgestimmten, gezielten Werbebotschaften Menschen erreichen können, die sich zumindest schon einmal für sie interessiert haben.

Datenschützer setzt auf Dialog

Lobsiger fehlt das Personal für systematische Kontrollen. Auch kann er keine Bussen oder andere Sanktionen aussprechen. Das jetzige Datenschutzgesetz stammt aus der Prä-Internet-Ära und ist nicht auf neue Phänomene wie Online-Kampagnen ausgelegt.

Der Datenschützer betritt Neuland mit seinen Empfehlungen in seinem Leitfaden rund um Polit-Kampagnen. Entsprechend vorsichtig ist er: Er will sich im Moment nicht exponieren mit Kritik – er setzt auf Dialog. Mit den Parteien funktioniere das, sagt Lobsiger, mit anderen Beteiligten aber weniger: Facebook habe auf seine Bitte um einen Ansprechpartner gar nicht erst reagiert.

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