Es war ein schwarzer Sonntag für die Roten. «Wahldebakel für die SP», «Die Genossen unter Klimaschock» oder «Grösste Schlappe seit dem Ersten Weltkrieg», lauteten die Schlagzeilen. Ein enttäuschter Parteipräsident liess sich mit dem Satz zitieren: «Das Megathema in diesem Wahlkampf war der Klimawandel. Die SP hat einen genauso ökologischen Ausweis wie die Grünen – aber die Wähler haben sich für die Grünen entschieden.»
Die Zitate haben nichts mit der aktuellen Parlamentswahl zu tun – sie stammen aus dem Jahr 2007: Minus neun Sitze hiess es damals für die SP. Dafür gewannen die Grünen sieben Sitze hinzu, die erstmals angetretenen Grünliberalen holten deren drei. Irgendwie scheint sich die Geschichte bei den Linken zu wiederholen.
Der SP fehlte das politische Gesicht
Den Wahlkampf von 2007 dominierten abwechslungsweise die Themen Umwelt/Klima und die Ausländerfrage. So konnte denn auch die SVP bei der Wahl zulegen. Die Klimadebatte wurde vor allem durch den kurz zuvor publizierten UNO-Klimabericht sowie den Film «Eine unbequeme Wahrheit» über die globale Erwärmung mit dem früheren US-Vizepräsidenten Al Gore befeuert. Hinzu kamen schwere Unwetter mit Überschwemmungen und Erdrutschen im Schweizer Sommer 2007.
Der damalige SP-Frontmann hiess Hans-Jürg Fehr, wenige Tage nach dem Wahldebakel warf er das Handtuch. Die Leute hätten ihm gesagt, bei der SVP komme ihnen Ausländerpolitik in den Sinn, bei den Grünen Umweltpolitik. Doch zur SP hätten sie keine spontane Assoziation. «Bis dahin hatte ich immer gedacht, die Leute würden Gerechtigkeit und die soziale Schweiz mit der SP verbinden. Das ist offenbar nicht der Fall», so Fehr.
Die SP und die soziale Frage
Die damalige Fraktionspräsidentin Ursula Wyss erklärte im Brustton der Überzeugung, dass man jetzt hart ins Gericht und über die Bücher gehen müsse. «Wir werden dafür schauen müssen, unsere Themen wieder klar in den Vordergrund zu stellen.» Mit einer Umfrage bei den SP-Mitgliedern suchte die Partei nach den Ursachen der Wahlniederlage. Knapp 3500 Fragebogen wurden zurückgeschickt und ausgewertet.
Resultat: Zwei Drittel fanden, die SP habe die soziale Frage, die Ausländerpolitik sowie die innere Sicherheit im Wahlkampf zu wenig betont. Zudem wurden die Kommunikation und die Werbung als «verbesserungsfähig» eingestuft. Häufig wurden auch eine engere Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften sowie eine andere Europapolitik – vor allem die Aufgabe des EU-Beitrittsziels – gefordert.
Am selben Punkt wie 2007
Vier Monate nach der historischen Niederlage, im März 2008, herrschte bei der SP schon wieder so etwas wie ein Frühlingserwachen. Zum neuen starken Mann an der Spitze der Partei wurde Christian Levrat gewählt. «Es geht ein Ruck durch die Partei», stellte er damals fest. Die Parteimitglieder seien sich einig, dass eine solche Wahlniederlage nie wieder vorkommen dürfe. «Die Schweiz braucht eine SP mit deutlich über 20 Prozent Wähleranteil», sagte Levrat 2008.
Jetzt, zwölf Jahre nach diesen Worten, liegt der SP-Wähleranteil noch bei mageren 16.8 Prozent. Die Roten haben wieder verloren und die Grünen haben erneut gewonnen. Und Levrat – der Neue von damals – geht. Wie damals Fehr, der Alte von einst.
Eine wackere Sozialdemokratin sagte 2007: «Wir haben zwar verloren, sind aber nicht verloren. Wir werden wieder auf einen grünen Zweig kommen.» Das möchte man bei der SP auch heute noch so gern glauben. Auch ohne die Grünen.