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Weissrusse in der Schweiz «Ich wünsche mir Freiheit für meine Landsleute»

In Weissrussland reissen die Proteste gegen das Wahlresultat vom Sonntag nicht ab. Am Sieg des autoritären Machthabers Alexander Lukaschenko gibt es grosse Zweifel. Auf Social Media sind Videos zu sehen, in denen Polizisten brutal gegen friedliche Demonstrierende vorgehen. Vielen Weissrussinnen und Weissrussen in der Schweiz bereitet die Situation in ihrem Herkunftsland Sorgen. Zu ihnen zählt Andrei Prakopchyk. Er ist erschüttert über die jüngsten Ereignisse.

Zur Person

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Der gebürtige Weissrusse Prakopchyk lebt seit über 20 Jahren in der Schweiz. Bei den Präsidentenwahlen 2020 hat er die Stimmen der Weissrussinnen und Weissrussen in der Schweiz nachgezählt und geprüft.

SRF News: Was geht Ihnen zurzeit durch den Kopf, wenn Sie an Ihr Herkunftsland denken?

Andrei Prakopchyk: Es gibt verschiedene Emotionen, von Wut bis Mitleid mit meinen Landsleuten. Das ist einfach furchtbar. Es tut mir leid, was da vor sich geht. Die Weissrussen sind ein friedliches Volk. Diese massive Gewalt, die auf den Strassen angewandt wird, ist unglaublich. Ich bin zum Teil auch sprachlos, wenn ich Videos von dort sehe, mir kommen die Tränen. Es ist tragisch, was im Moment passiert.

Sie verfolgen die aktuelle Lage in Weissrussland sehr genau, haben auch Verwandte und Freunde dort. Machen Sie sich Sorgen um ihre Sicherheit?

Natürlich. Ich habe meine Mutter und Freunde da. Zum Teil weiss ich auch nicht, was mit ihnen passiert, weil das Internet blockiert ist. Ab und zu gibt es Verbindungen via Festnetz, die mehr oder weniger funktionieren. Aber ein komplettes Bild habe ich momentan leider nicht.

Sie haben Internet-Blockaden angesprochen. Wissen Ihre Freunde und Verwandten, was in ihrem Land passiert?

Nicht alle. Es gibt gewisse Kommunikationsmöglichkeiten und irgendwie kann man diese Einschränkungen betreffend Internet via VPN-Service umgehen, aber nicht alle bekommen das komplette Bild. Darum vermute ich, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht genau weiss, was passiert.

Ich vermute, die Mehrheit der Bevölkerung weiss nicht genau, was im Moment passiert.

Aber natürlich schauen sie aus dem Fenster und beobachten, was auf den Strassen passiert, sie hören die Sirenen und Explosionen von Lichtgranaten und Gummigeschossen. Sie sehen das mit eigenen Augen.

Sie haben bei den Präsidentenwahlen die Stimmen der Weissrussen geprüft. Wie haben Sie diese Wahlen erlebt?

Ich war überwältigt von der Stimmung der Leute. Es ist auch nicht üblich, dass so viele gekommen sind. Bei den letzten Wahlen waren es weniger Menschen. Dieses Mal sind hunderte Leute gekommen, um ihren Beitrag zu leisten.

Gab es Wahlbetrug?

Für die weissrussische Botschaft in der Schweiz war die Auszählung korrekt. Wir haben die offiziellen Ergebnisse mit unseren Ergebnissen verglichen und sie haben übereingestimmt. Soweit ich das beurteilen kann, kann man sagen, dass es im Ausland ziemlich korrekt ablief. Nicht aber in Weissrussland. Da haben wir hunderte Berichte von Wahlbetrug, Manipulation und zum Teil auch Erpressung. Das ist Wahnsinn.

Sie sind sehr besorgt über die Ereignisse in Ihrem Herkunftsland. Wünschen Sie sich Unterstützung aus der Schweiz?

Ja, auf jeden Fall. Wir haben einen Brief vorbereitet an den Bundesrat mit gewissen Forderungen. Zum Beispiel soll er Wahlbetrug und Polizeigewalt gegenüber friedlich demonstrierenden Menschen aufs Schärfste verurteilen. Wir fordern, dass die offiziellen Wahlergebnisse nicht anerkannt werden und sich die Schweiz für die Freilassung der politischen Gefangenen einsetzt.

Was wünschen Sie sich für Ihr Herkunftsland?

Freiheit. Ich wünsche mir, dass sich jeder Mensch in Belarus frei äussern, sich frei bewegen kann. Und natürlich wünsche ich meinen Landsleuten alles Gute.

Das Gespräch führte Teresa Delgado.

SRF 4 News, 12.8.2020, 6.23 Uhr ; 

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