Die Krankenkassenprämien in der Schweiz steigen von Jahr zu Jahr. Eigentlich sollte die zunehmende Prämienlast zumindest für den unteren Mittelstand durch Prämienverbilligungen abgefedert werden. Doch eine Auswertung von «10vor10» zeigt nun: Immer weniger Personen erhalten Prämienverbilligungen, obwohl sie gemäss Gesetz allen «Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» zustehen.
Zwischen 2012 und 2017 verlor fast jeder siebte mittelständische Bezüger seine Prämienverbilligung oder wurde in derselben Zeit zum Sozialhilfe- oder Ergänzungsleistungsbeziehenden. Schweizweit entspricht dies über 163'000 Personen.
In insgesamt 22 Kantonen erhielten letztes Jahr weniger mittelständische Personen Prämienverbilligungen als 2012. Am deutlichsten zeigt sich die Entwicklung in Luzern und Nidwalden: Über die Hälfte der mittelständischen Bezüger hat in den beiden Kantonen zwischen 2012 und 2017 die Prämienverbilligung verloren.
Patientenschützer üben Kritik
Die Gesundheitskosten steigen jedes Jahr, doch für den Dachverband der Schweizerischen Patientenstellen ist dies allein keine Rechtfertigung, warum immer weniger Personen Verbilligungen erhalten. Präsidentin Erika Ziltener moniert: «Nur noch die mit ganz tiefen Einkommen erhalten Prämienverbilligungen. Der Mittelstand, also Familien mit Kindern oder Alleinerziehende, erhält sie nicht mehr.»
Auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren beobachtet diese Entwicklung mit Sorgen. Vorstandsmitglied Lukas Engelberger sieht eine mögliche Ursache: «Wenn Sie sich als Kanton entlasten müssen, stellen Sie sich die Frage, wer am ehesten auf das Geld verzichten kann.» In diesem Falle treffe es den Mittelstand.
Kantone stehen unter Kostendruck
Obwohl immer weniger Personen Geld von Kanton und Bund erhalten, nehmen die Ausgaben für Prämienverbilligungen zu. Ein Grund dafür: Die Höhe der Prämienverbilligungen für Kinder und junge Erwachsene ist gesetzlich an die Entwicklung der Krankenkassenprämien gekoppelt. Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) schreibt für «untere und mittlere Einkommen» vor, dass Prämien für Kinder und junge Erwachsene um «mindestens 50% reduziert» werden müssen. Folglich führen die steigenden Krankenkassenprämien beim Bund automatisch zu Mehrausgaben bei den Prämienverbilligungen.
Diverse Kantone hingegen haben die Grenze, wie viel jemand verdienen darf, um noch Prämienverbilligungen zu erhalten, heruntergesetzt. Andere haben die Höhe der ausbezahlten Prämienverbilligung für den Mittelstand gesenkt.
Gestiegen ist zudem die Zahl der Sozialhilfe- und Ergänzungsleistungsbezüger. Für diese Personengruppen fallen in den Kantonen besonders hohe Kosten an. Dass heute weniger mittelständische Personen Prämienverbilligungen erhalten, ist auch darauf zurückzuführen, dass ein Teil dieser Personen ihr Einkommen verloren hat und nun auf Sozialhilfe- oder Ergänzungsleistungen angewiesen ist.
Von den 163'000 Personen fällt aber nur etwas mehr als ein Drittel in diese Kategorie. Es bleiben ungefähr 100'000 Personen, die weiterhin ein Einkommen erzielen, aber keine Prämienverbilligungen erhalten. Die Auslegung, wer «in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» lebt und so gemäss KVG Anrecht auf Prämienverbilligungen hat, ist den Kantonen überlassen.
Luzern: Eine Angelegenheit für die Gerichte
In Luzern ist der Mittelstand besonders von den Kürzungen betroffen. Der Innerschweizer Kanton hat die Einkommensgrenze für Familien in den letzten Jahren von 75'000 auf 54'000 Franken gesenkt. Der Kanton hatte zuvor die Unternehmenssteuern gesenkt.
Der Luzerner Rechtsanwalt Bruno Häfliger ist der Meinung, dass Luzern mit der neuen Einkommensgrenze «die rote Linie überschritten» hat. Für ihn ist die KVG-Bestimmung in Luzern nicht mehr erfüllt, weshalb er nun, unterstützt von der SP, eine Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht hat.
Auch in Nidwalden verlor über die Hälfte der mittelständischen Bezüger die Prämienverbilligung. Nidwalden war aber bis 2013 der mit Abstand grosszügigste Kanton. Eine Reform, von der Bevölkerung an der Urne bestätigt, passte den Kreis der Bezüger den Verhältnissen anderer Kantone an.
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