Die Fall- und Hospitalisationszahlen in der Pandemie steigen weiter an. Die Massnahmen des Bundesrates sollen auch verhindern, dass zu viele Leute drinnen zusammenkommen. Da passt ein voller Nationalratssaal mit 200 Parlamentarierinnen und Parlamentariern nicht ins Bild.
Der Zürcher GLP-Nationalrat Martin Bäumle hat für sich bereits für die Sondersession diese Woche die Konsequenzen gezogen. Er hat sich «aus Vernunft» entschlossen, nicht an der Session teilzunehmen. Doch was, wenn an der Wintersession noch mehr National- und Ständeräte aus Vernunft zu Hause bleiben, in Quarantäne müssen oder gar erkranken?
Die Problematik beschäftigt das Parlement seit dem Ausbruch der Pandemie im März. In einer Interpellation forderte damals Nationalrätin Doris Fiala (FDP/ZH) die Parlamentsdienste auf, abzuklären, wie man den «Ratsdienst online sicher und effizient» gestalten könnte. Die Stellungnahme war ernüchternd: «Für das Ratsplenum ist die physische Anwesenheit unabdingbar und auf Verfassungsstufe geregelt.»
Vorstösse aus dem Parlament zum virtuellen Abstimmen
Es bräuchte also eine Verfassungsänderung, um die Session von daheim mitzuverfolgen und auch von da abstimmen zu können. Die gleiche Antwort folgte auf eine Motion von Nationalrätin Marianne Binder-Keller (CVP/AG). Nun gibt es einen weiteren Versuch. Die staatspolitische Kommission des Nationalrats hat eine parlamentarische Initiative eingereicht. Es sollen «temporär und rasch die Voraussetzungen geschaffen werden», dass in der Wintersession von zu Hause abgestimmt werden kann.
Auch hinter dieser Initiative steht unter anderen Marianne Binder-Keller. Sie sagt: «Es wäre staatspolitisch schwierig, wenn einzelne Mitglieder nicht ins Parlament oder auch ganze Gruppen nicht in die Fraktionen könnten.» Auch Balthasar Glättli von den Grünen weist darauf hin, dass im Fall einer Absenz von 40 bis 50 Parlamentariern das Abstimmungsergebnis verfälscht werden könnte.
Glättli und Binder-Keller stellen sich eine pragmatische Lösung für die Wintersession vor. Ein verhindertes Parlamentsmitglied würde die Debatte online verfolgen und wäre per Video-Chat mit einem Mitglied des Parlamentsdienstes verbunden. Diese würde dann den Abstimmungsknopf drücken.
Doch wie sicher ist das Bundeshaus überhaupt? Verantwortlich für die baulichen Schutzmassnahmen im Parlament, darunter die Plexiglaswände, ist Andreas Wortmann als oberster Hauswart. Ein schwieriger Job, denn eigentlich handelt es sich um ein Grossraumbüro mit 200 Menschen an altmodischen engen Pulten.
Er vertraut den Schutzmassnahmen und glaubt nicht, dass sich das Parlament zum Superspreader-Event entwickeln könnte: «Bis jetzt wissen wir von keinem, der sich hier im Parlamentsgebäude angesteckt hat.» Wortmann verweist dabei auch auf die gute Lüftung im Bundeshaus: «Man merkt es auch mal im Herbst, wenn sie im Marzili beginnen, Laub zu verbrennen – dann riecht es hier leicht rauchig. Dann wird die Luft abgesogen und geht nach oben.»
Videokonferenz wird geprüft
Trotzdem: Es werden nun Alternativen für die Wintersession geprüft. Laut Andreas Wortmann wäre es möglich, dass es eine Videokonferenz mit den abwesenden Parlamenteriern und Parlamentarierinnen gibt. Bei der Abstimmung würde das Bild in den Saal projiziert, damit das Plenum weiss, wer wie abgestimmt hat.
In der ersten Sessionswoche im Dezember könnte das Parlament voraussichtlich darüber abstimmen, ob ab der zweiten Sessionswoche auch von zu Hause aus abgestimmt werden kann.