Immer mehr Leute kehren der Schweiz den Rücken. Der Wanderungssaldo – also die Zahl der Einwanderer minus die Zahl der Auswanderer – ist im letzten Jahr auf den tiefsten Stand seit 2006 gefallen.
Die Netto-Zuwanderung lag 2018 noch bei knapp 40'000 Leuten, verglichen mit jeweils über 75'000 Personen in den Jahren 2007 bis 2016. Das hatte etwa der Bauwirtschaft Schub gegeben. Auch der Privatkonsum profitierte.
Es gibt auch vermehrt Personen, die die Schweiz wieder verlassen.
130'000 Menschen sind ausgewandert
Nun drehe der Wind, sagt Jan-Egbert Sturm, Leiter der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich: «Tatsächlich gibt es immer noch eine relativ starke Zuwanderung. Sie ist allerdings nicht mehr so stark wie auch schon. Doch es gibt auch vermehrt Personen, die die Schweiz wieder verlassen.
Allein im letzten Jahr sind rund 130'000 Menschen ausgewandert. Das entspricht in etwa der Bevölkerung der Stadt Bern. Es sind Leute, die in der Schweiz kein Haus bauen, kein Auto kaufen. Das drückt auf das Wirtschaftswachstum. Man muss laut KOF bis in die Mitte der 1970er-Jahre zurückgehen, um ähnlich hohe Auswanderungszahlen zu finden.
Wer wandert aus?
Es sind in erster Linie die EU-Bürger, die in ihre Heimat zurückkehren, wie Sturm darlegt. Sie machen mehr als die Hälfte der Auswanderer aus. Vor allem Franzosen, Portugiesen und Spanier wandern ab, weil in ihren Ländern die Konjunktur trotz aller Risiken besser läuft als auch schon. Es werden also Jobs geschaffen in diesen Ländern.
Bislang kaum zur Kenntnis genommen wird ein anderes Phänomen: «Es gibt auch Schweizerinnen und Schweizer, die ab und zu ins Ausland gehen, um Erfahrungen zu sammeln.» Sie machen mit 32'000 einen Viertel aller Auswanderer aus.
Darunter sind auch Leute mit ausländischen Wurzeln, die einen Schweizer Pass erworben haben. Sie zieht es vor allem nach Deutschland, Frankreich und Italien, aber auch nach Spanien, Grossbritannien sowie in die Vereinigten Staaten. Ebenfalls wegen der Arbeit, wie Sturm erklärt.
Auswanderfreudig: Menschen über 50
Auffällig ist, dass etwa 30 Prozent aller Schweizer Auswanderer über 50 Jahre alt ist. Sie verbringen ihren Lebensabend lieber in Thailand oder Brasilien. Und geben ihr Geld dort aus.
Lage kann rasch wieder ändern
Der Wind könnte aber nach den Worten des KOF-Experte bald wieder drehen, was wieder mehr Einwanderer und weniger Auswanderer zur Folge hätte. Denn die Schweizer Wirtschaft dürfte wegen des generellen Fachkräftemangels und der anrollenden Pensionierungswelle von Babyboomern bald händeringend nach Arbeitskräften suchen.
Zudem trüben sich in manchen Ländern die Wirtschaftsaussichten schneller und markanter ein als in der Schweiz. Das könnte die Schweiz für Zuwanderer erst recht wieder attraktiver machen.