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Ärger bei Kälbermästern Coop speckt bei Labelfleisch ab

  • Künftig will Coop nicht mehr zwei, sondern nur noch ein tierfreundliches Kalbfleisch-Label führen.
  • Kälbermäster sind verärgert, haben sie doch erst jüngst in Ställe nach Vorschriften von Naturafarm investiert und sehen jetzt einer eher ungewissen Zukunft entgegen.
  • Auch beim Naturafarm-Schweinefleisch zieht Coop offenbar die Notbremse. 90'000 Schlachtschweine weniger sollen in Zukunft eingekauft werden.

Samuel Graber ärgert sich. Viele Kälbermäster hätten erst vor kurzem in neue Ställe investiert, so dass die Tiere an die frische Luft könnten, sagt der Präsident des Schweizer Kälbermäster-Verbandes: «Die Ställe sind gebaut worden, um die sehr strengen Vorschriften von Coop Naturafarm zu erfüllen. Und jetzt auf einmal bekommen die Bauern einen Schlag ins Gesicht und man sagt ihnen, dass diese Produktion aufgegeben werden soll.»

Angst vor finanziellen Schwierigkeiten

Ab 2020 schafft Coop das Label Naturafarm beim Kalbfleisch ab. Für viele Züchter heisst das, dass sie in Zukunft keine Entschädigung mehr für die tierfreundliche Haltung bekommen, also für Auslauf und mehr Platz.

Falls sie Coop überhaupt noch Fleisch liefern können. Das könnte so manchen Kälbermäster in finanzielle Schwierigkeiten bringen, glaubt Graber.

«Die Kosten können wir einfach nicht mehr tragen»

Roland Frevel, der bei Coop den Bereich Frischprodukte leitet, beschwichtigt: «Wir werden zum Schluss sicher jeden einzelnen Fall individuell prüfen und verträgliche Lösungen suchen.» Die Nachfrage nach Kalbfleisch sei rückläufig. In Zukunft will Coop deshalb nicht mehr zwei, sondern nur noch ein tierfreundliches Kalbfleisch-Label führen.

Nicht nur beim Kalb-, auch beim Naturafarm-Schweinefleisch geht die Nachfrage seit einigen Jahren zurück. Deshalb will Coop auch dort künftig weniger einkaufen. Denn in den letzten Jahren habe Coop das zu viel eingekaufte Fleisch teilweise billiger verkaufen müssen, also beispielsweise nur noch als Prix-Garantie-Fleisch verkaufen können, sagt Frevel: «Diese Kosten können wir einfach nicht mehr tragen.»

Ein Drittel weniger Schweine – Produzenten frustriert

Die Konsequenz: Coop kauft in Zukunft ein Drittel weniger Naturafarm-Schweinefleisch ein, also rund 90'000 Schlachtschweine weniger. Das ärgert Meinrad Pfister, Präsident der Schweine-Produzenten.

Nicht nur dass: Jene Züchter, die weiterhin Label-Fleisch liefern können, erhalten künftig weniger Geld dafür. Pfister: «Die Produzenten haben ihre Hausaufgaben gemacht und die Erwartungen erfüllt, die an sie gestellt werden. Das Schizophrene ist aber, dass dafür nichts bezahlt werden will. Das ist das, was die Produzenten zutiefst frustriert».

Frust gibt es bei den Produzenten für herkömmliches Schweine- und Kalbfleisch schon lange. Jetzt sinken die Preise auch beim Label-Fleisch. Die Debatte zeigt aber auch: Auslauf und Stroh im Stall sind selbst für Schweizer Tiere noch keine Selbstverständlichkeit.

Tierschutz befürchtet Verschlechterungen

Box aufklappen Box zuklappen

Der Rückzug von Coop vom Label Naturafarm beim Kalbfleisch und der geplante reduzierte Einkauf von Naturafarm-Schweinefleisch löst beim Schweizer Tierschutz (STS) Besorgnis aus. Der Wille zu guter Tierhaltung werde abnehmen, wenn grosse Abnehmer nicht mehr genug bezahlten, sagt der STS-Verantwortliche Cesare Charraz. Gerade beim Schweinefleisch sei der Markt ziemlich gesättigt.

Charraz weist auf den zusätzlichen Aufwand bei der Label-Tierhaltung hin. Täglicher Einstreu und weniger Tiere mit mehr Platz im Stall seien nicht gratis. «Wir müssen unbedingt dagegen halten, damit die Preise gut bleiben und die Anforderungen nicht wieder sinken.»

Charraz weist darauf hin, dass die konventionelle Schweinehaltung Schweiz in der Schweiz immer noch Teilspaltenböden ohne Einstreu und ohne Auslauf bedeutet. Die gesetzlich vorgeschriebene Fläche sei auf 0,9 Quadratmeter pro Masttier erhöht worden: «Das ist immer noch extrem wenig und nicht so viel mehr als im Ausland.»

Bei der konventionellen Kälberhaltung sei es etwas besser, weil die Tiere per Gesetz in Gruppen gehalten werden müssten, samt Stroheinstreu. Aber auch hier ist der Platz laut Charraz relativ knapp. Auslauf ist nicht vorgeschrieben und die Tiere kommen nicht an die frische Luft. «Das Schweizer Tierschutzgesetz ist über weite Teile kein Garant für Tierschutz und artgerechte Haltung», sagt Charraz.

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