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Boom in der Pandemie Food-Kuriere: Unterwegs für einen Mini-Lohn

Die Pandemie lässt das Geschäft mit Lieferdiensten explodieren. Die Schweizer Kurier-Firma Smood verzeichnete 2020 nach eigenen Angaben doppelt so viele Bestellungen als im Jahr zuvor. Just Eat Takeaway, zu dem der Schweizer Ableger Eat.ch gehört, steigerte seinen Umsatz weltweit um 50 Prozent, wie das Unternehmen im Januar mitteilte.

«Kaum Sozialleistungen»

Für die Kuriere selbst hingegen bedeutet die Coronakrise vor allem eines: mehr Stress. Und das bei teils sehr tiefen Löhnen und kaum Sozialleistungen. David Roth von der Gewerkschaft Syndicom findet klare Worte: «Die Arbeitsbedingungen der Lieferkuriere sind am unteren Rand von dem, was wir in der Schweiz antreffen.»

Dominic Milloud, Geschäftsführer von Eat.ch, sieht das anders. Seine Kuriere würden über dem Genfer Mindestlohn von 23 Franken bezahlt. «Dazu kommen noch Ferien- und Feiertagsentschädigung – und Trinkgeld», sagt Milloud.

SRF hat neben Eat.ch auch Angaben zu den Löhnen und Sozialleistungen bei drei weiteren grossen Schweizer Lieferfirmen eingeholt: Uber Eats, Smood und Mosis.

Eat.ch, Mosis und Smood stellen ihre Lieferkuriere mit einem Arbeitsvertrag an. Damit sind die Kuriere entsprechend bei der AHV und IV versichert und haben eine Unfall- und Krankenversicherung. Eat.ch und Smood bezahlen ihre Kuriere pro Stunde. Mosis an den meisten Standorten ebenfalls, doch in Zürich werden Kuriere am Abend pro Lieferung vergütet.

Nicht bezahlte Wartezeiten

Der Lieferdienst Mosis gibt einen Durchschnittslohn von 23 bis 35 Franken pro Stunde an. Während der ersten Welle arbeitete Philippe Stalder als Autokurier für Mosis. Er sagt dazu: «35 Franken pro Stunde kann man vergessen!»

Pro Lieferung zahle das Unternehmen 12 bis 18 Franken, je nach Distanz. «Bei guter Planung schafft man maximal zwei Lieferungen mit kurzer Distanz. Häufig hat man aber auch Wartezeiten, in denen man gar nicht bezahlt wird», erklärt Stalder.

Hinzu kämen Abzüge für das Auto und die Feiertage. Stalders Fazit: «Wenn man alles durchrechnet, schaut nicht viel dabei heraus.»

Cyril Schneider, Leiter operatives Geschäft bei Mosis, verteidigt trotzdem das Unternehmensmodell: «Ich bin ehrlich, es gibt schnellere und weniger schnelle Kuriere und es gibt Abende, wo man Pech hat. Man muss ein bisschen Glück haben oder man muss dementsprechend schauen.»

Bezahlung pro Lieferung

Neben Mosis bezahlt auch Uber Eats pro Lieferung. Gewerkschafter David Roth kritisiert dieses System scharf: «Eine Bezahlung pro Lieferung ist absolut unhaltbar. Das heisst alleine, dass das Risiko vom Unternehmen, das Aufträge reinholen soll, auf den Arbeitnehmer abgewälzt wird.»

Auch was die Sozialleistungen angeht, schneidet Uber Eats am schlechtesten ab. Zwar bietet das Unternehmen seinen Fahrern eine kostenlose Unfallversicherung. AHV und IV jedoch sind nicht gedeckt. Im angegeben Durchschnittslohn von 21 Franken sind Benzin, Auto und Pausen nicht einberechnet.

Uber Eats kontert

Uber Eats verteidigt das Konzept auf Anfrage: «Der Hauptgrund, warum sich Menschen für eine Partnerschaft mit Uber Eats entscheiden, ist die Flexibilität, selbst zu bestimmen, ob, wann und wo sie die Uber-Eats-App verwenden möchten.»

David Roth und die Gewerkschaft Syndicom arbeiten aktuell an einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für Kuriere und versuchen, die Lieferfirmen ins Boot zu holen. Laut Roth soll damit verhindert werden, dass der Preiskampf der Unternehmen auf Kosten der Lieferkuriere stattfindet.

Rundschau, 17.02.2021, 20:05 Uhr

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