Bund und Industrie haben sich zu einem Dieselpakt durchgerungen: Statt einer enorm kostspieligen Hardware-Lösung soll es ein Software-Update richten. Mehr als fünf Millionen Dieselautos sollen in Deutschland aufgerüstet werden.
Das klingt nach enormem Zusatzaufwand – war aber schon im Vorfeld des Dieselgipfels in Berlin als «Billigvariante» für die unter Kartellverdacht stehenden Autobauer bekannt. Sie kommen damit um teure Umrüstungen an Motoren herum.
Es geht nicht um quietschende Aschenbecher oder klappernde Stereoanlagen. Es geht um Tausende Menschen, deren Leben und Gesundheit bedroht ist.
«Es gibt eine Gewinnerin – und das ist die Autoindustrie», sagt denn auch SRF-Korrespondent Adrian Arnold. Das Resultat werde die vielen Kritiker, die weiterreichende Massnahmen fordern, nicht mundtot machen.
Einer dieser Kritiker ist Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Gegenüber SRF News macht er seinem Ärger Luft – und fährt schwere Geschütze gegen die deutsche Regierung auf. Die Vorwürfe in der Übersicht.
1. Berlin stellt Profit über alles
Die Autobranche ist Deutschlands wichtigster Industriezweig. Und offenbar, wie Krischer sagt, too big to fail für die Bundesregierung: «Offenbar sind ihr die Gewinne der Autoindustrie wichtiger, als die Emissionen zu reduzieren.» Verkehrsminister Alexander Dobrindt lasse sich auf eine Scheinlösung ein, statt die Hersteller dazu zu bringen, endlich «reinen Tisch» zu machen: «Die Folgen ihres Tricksens und Betrügens können nur mit einer Hardwarelösung beseitigt werden.» Schliesslich gehe es nicht um die quietschende Aschenbecher, sondern um Tausende Menschen, deren Leben und Gesundheit bedroht sei.
2. Kalter Kaffee und ein feuchter Händedruck für die Kunden
Krischer kontrastiert Berlins vermeintliches Einvernehmen mit den drakonischen Strafen, mit denen die US-Behörden auf Dieselgate reagiert haben: «VW stand dort vor der Entscheidung, die Käufer zu entschädigen und das Fahrzeug zurückzunehmen – oder es umzurüsten.» Daraus hätte man auch in Europa lernen müssen, meint der Grünen-Politiker. «Es ist nicht nachvollziehbar, warum US-Kunden 10'000 Dollar für ein altes Auto oder eine Nachrüstung bekommen. In Deutschland gibt’s bestenfalls einen kalten Kaffee und den Händedruck des Werkstattmeisters.»
3. Im Schlafwagen ins wirtschaftliche Desaster
Kaum ein anderes Land macht bei der Energiewende derart radikal vorwärts wie Deutschland. Die Autohersteller würden die aktuelle Revolution aber verschlafen, meint der Grünen-Politiker: «Wir müssen die Elektromobilität massiv fördern. Das ist auch wirtschaftlich das Gebot der Stunde.» Die Regierung mache diesbezüglich viel zu wenig. Was in Deutschland laufe, sei «geradezu ärmlich»: «International hinken wir weit, weit hinterher. Das ist ein Armutszeugnis für ein Automobilland wie Deutschland.» Wenn Berlin nicht radikal umdenke, seien langfristig die 800'000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie gefährdet, schliesst Krischer.
Justizminister Maas: «Autobauer auf Bewährung»
Der deutsche Justizminister schliesst auch nach den Vereinbarungen des Diesel-Gipfels Fahrverbote nicht aus. Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung würden weiterhin gelten, sagte Heiko Maas der «Bild»-Zeitung. Für die Automobilindustrie bedeute das, sie sei mehr denn je in der Pflicht, Schadstoffe zu reduzieren und die Umwelt zu entlasten. Dies müsse schnell, gesetzestreu, technisch sauber und transparent erfolgen, erklärte der Justizminister weiter. Der Diesel-Gipfel sei «ein erster Schritt in die richtige Richtung» gewesen, sagte Maas dem Blatt. Jetzt beginne für die Automobilindustrie die «Bewährungszeit». Weitere Massnahmen müssten folgen. (sda/afp) |
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