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Der Erdölpreis zerfällt «Die USA halten einen Preiskrieg am längsten aus»

Erdöl ist zurzeit so billig wie selten. Um dem entgegenzuwirken, haben die Ölförderstaaten und das Ölkartell Opec beschlossen, so wenig Öl aus dem Boden zu holen wie noch nie. Das Ziel: den Preis nach oben zu treiben. Doch der Nachfragerückgang wegen der Corona-Krise scheint stärker zu sein. Energieexperte Christof Rühl prognostiziert Russland und Saudi-Arabien enorme Probleme – gute Karten haben die USA.

Christof Rühl

Energieexperte und Ökonom

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Der Ökonom hat früher für den Erdölkonzern BP gearbeitet. Heute berät Christof Rühl Unternehmen und lehrt unter anderem am «Center for Global Energy Policy» der Columbia Universität in New York.

SRF News: Ist das Angebot immer noch zu gross?

Christof Rühl: Die Preise sind tief und sie fallen weiter. Denn inzwischen ist die Einsicht eingekehrt, dass es über den kurzfristigen Lockdown hinaus zu einer langsameren Anpassung kommen wird, als wir anfangs dachten. Viele Volkswirte gehen nun davon aus, dass es bis 2021 oder sogar 2022 dauern könnte. Das würde bedeuten, dass auch die Öl-Nachfrage viel langsamer wieder in die Gänge kommt. Die Befürchtung ist, dass die im Moment ausgehandelten Kürzungen nicht ausreichen.

Noch vor zehn, fünfzehn Jahren hat jeder gesagt, dass das Öl ausgeht. Ausser ganz wenigen Experten, die ausgelacht wurden.

Ich persönlich verstehe nicht so ganz, warum die ganze Welt nun denkt, dass niedrige Ölpreise ein Problem wären. Aus Konsumentensicht war das ja immer eine gute Sache. Wenn wirtschaftliche Probleme anstehen, wird das Geschrei losgehen, dass die Ölpreise doch lieber wieder niedriger sein sollen.

Sie sagen, die Erdölpreise sollten nicht politisch festgelegt werden, sondern über den Markt – damit auch die Länder profitieren, die kein Erdöl haben. Wie kann man verhindern, dass die Preise politisch von den Erdöl-Staaten festgelegt werden?

Denken Sie über die neuen Technologien nach, die Dekarbonisierung, die Energiewende: all das kann nicht unter staatlicher Leitung vonstattengehen. Dafür braucht man Innovation, Wettbewerb – und, wenn es so weit kommt, das Absterben der fossilen Energieträger. Was wir durch die Corona-Krise erleben, öffnet ein Fenster in die Zukunft.

Noch vor zehn, fünfzehn Jahren hat jeder gesagt, dass das Öl ausgeht. Ausser ganz wenigen Experten, die ausgelacht wurden. Jetzt hat man zu viel Öl, unter anderem wegen all der Innovationen, die stattfinden. Dieses Problem sollte man nicht dadurch lösen, dass man das jetzt versucht zu strecken, politisch zu verteidigen und zu rechtfertigen.

Die Auswirkungen werden spürbar sein, wenn die Preise so tief sind. Vor allem bei den erdölfördernden Ländern. Wie sieht die Öl-Ordnung der Zukunft aus?

Im Moment ist ganz klar, dass die Amerikaner die Nase vorne haben. Saudi-Arabien ist viel zu stark vom Erdöl abhängig, um solch niedrige Preise lange durchhalten zu können. Das Land wird meines Erachtens grosse ökonomische und soziale Probleme kriegen – in sehr kurzer Zeit.

Langfristig sind die Amerikaner sicher am stärksten, wenn es darum geht, einen Preiskrieg oder Preisverfall auszuhalten.

Auch Russland hat ein Problem. Sie sind auch nicht unbedingt Freunde niedriger Preise, die lange anhalten. Und: Fährt man die Produktion auf russischen Feldern zu schnell und unter Druck runter, kriegen einige der Felder zu viel Wasser ab oder frieren im Winter zu. Man kann sie dann nicht mehr ohne Weiteres reaktivieren. Es besteht die Gefahr, dass grössere Produktionsbeschränkungen unorganisierter Art zu technischen Schäden an den Feldern führen.

Die Amerikaner kennen nichts von all dem. Präsident Donald Trump sorgt sich abwechselnd um die Wähler, die wenig Einkommen und grosse Autos haben und um diejenigen, die in der Ölindustrie arbeiten und die mit den Preisen mal hoch und mal runter wollen. Langfristig sind die Amerikaner sicher am stärksten, wenn es darum geht, einen Preiskrieg oder Preisverfall auszuhalten.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

Echo der Zeit vom 20.04.2020, 18 Uhr ; 

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