Im klassischen Print-Werbemarkt funktioniert es so: Eine Firma kauft einen Platz für ihr Inserat in einem Medium, beispielsweise eine Viertelfläche auf Seite 11 eines monatlich erscheinenden Lifestyle-Magazins.
Der Online-Werbemarkt funktioniert anders: Hier kauft eine Firma eine Anzahl Einblendungen einer Werbung bei einer bestimmten Zielgruppe, also beispielsweise 50’000 Anzeigen eines Online-Inserats für einen neuartigen und ganz tollen Rasenmäher. Die angepeilte Zielgruppe sind Männer – sie mähen in einem Haushalt meistens den Rasen. Da es sich um ein sehr günstiges Modell handelt, darf die männliche Zielgruppe ein unterdurchschnittliches Einkommen haben – aber dennoch einen Garten besitzen.
Die vernetzten Werbenetzwerke
Auf die Platzierung digitaler Anzeigen haben sich unzählige Agenturen spezialisiert. Die einschlägigen Firmen darunter sind auch die ganz grossen: Google mit «Double Click» oder Facebook, das im Grunde genommen ein einziges grosses Werbenetzwerk ist.
Die Werbenetzwerke setzen Algorithmen ein, die Inserate dort platzieren, wo die passende Zielgruppe erwartet wird. Das kann auf eigenen Diensten sein, Profil-Seiten bei Facebook etwa, aber auch auf externen Seiten, die beim Werbenetzwerk angeschlossen sind. So verdienen beispielsweise viele Webseitenbetreiber Geld, in dem sie Amazons Inserate bei sich einbinden. Welche Inserate dort erscheinen, definiert nicht der Betreiber der Seiten, sondern Amazon.
Die allwissenden Tracker
Um zu prognostizieren, wo sich welche Zielgruppen und Personen im Internet bewegen werden, setzen die Werbenetzwerke Tracker ein, kleine Codeschnipsel, die in den Webseiten integriert sind und bei ihrem Aufruf sich mit dem entsprechenden Werbenetzwerk verbinden.
Die registrieren dann unter anderem, wo wir uns gerade aufhalten im Internet, was wir anklicken, was wir in den Warenkorb legen, mit welchem Betriebssystem wir unterwegs sind und ob wir von einem Smartphone auf die Seite zugreifen oder von einem PC.
Da derselbe Tracker uns auf verschiedenen Seiten über die Schulter schaut, ergibt sich so schnell ein Profil: Wer sich auf der Seite eines Heimwerkermarktes aufhält und später auf einer anderen Seite nach «Pflanzen» sucht, besitzt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einen Garten. Weil dieselbe Person sich nun auch noch auffällig oft in einem Online-Shop eines Elektronik-Superdiscounters aufhält, verrät damit etwas über sein Einkommen.
Ist nur derselbe Tracker auch auf einer umstrittenen Seite wie beispielsweise Breitbart.com integriert, kann es geschehen, dass auf dem Dienst ein Inserat auftaucht, weil dort jemand auftaucht mit einem Profil, das ein Werbekunde gekauft hat. Dann wird das entsprechende Inserat angezeigt, auch wenn der Inserent eigentlich sein Inserat gar nicht in dieser Umgebung sehen wollte.
Die (oft) überforderten Filter
Die Werbenetzwerke versuchen, das zu verhindern, in dem sie unliebsame und auch verbotene Inhalte herausfiltern, zum Beispiel Websites mit rechtsradikalen, pornografischen oder rassistischen Inhalten.
Anzeigen sollen nicht auf solchen Webseiten auftauchen und auch nicht auf Seiten, die gefälschte Meldungen enthalten, «Fake News». Hier stehen die Werbenetzwerke vor dem grossen Problem, wie sie diese Inhalte zuverlässig erkennen sollen, weil dies automatisch geschehen muss. Anders ist die schiere Menge an Daten gar nicht zu durchforsten.
Algorithmen mit künstlicher Intelligenz sollen es richten. Aber es zeigt sich, das diese oft überfordert sind und in Zukunft vielleicht sogar noch mehr überfordert sein werden. Die IT-Markforscher von Gartner prophezeien , dass schon 2020 «Fake News» die Oberhand gewinnen werden gegenüber den Algorithmen, die sie enttarnen sollen.
Online-Inserate, die ab und zu an Orten auftauchen, wo sie nicht sollten, werden also so schnell nicht zu hundert Prozent aus unserem Alltag verschwinden.