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Drohende Weltwirtschaftskrise «China wird den Karren kaum aus dem Dreck ziehen»

Die Wirtschaftslokomotiven USA und China laufen auf Sparflamme. Er habe keine grosse Hoffnung, dass China mit seinem Konjunkturprogramm und ein paar Wochen Vorsprung in der Virusbekämpfung die Welt wieder anschieben könne, sagt der Ökonom Andreas Busch.

Andreas Busch

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Der Ökonom Andreas Busch ist seit 2001 bei der auf institutionelle Investments spezialisierten Bantleon Bank mit Sitz in Zug für den Bereich »Wirtschaftliche Entwicklung und Geldpolitik in Asien und in den USA« verantwortlich. Zu den Anlegern an den Bantleon-Fonds zählen viele Banken, Versicherungen und Pensionskassen.

SRF News: Laut dem Internationalen Währungsfonds droht eine der schlimmsten Wirtschaftskrisen überhaupt. Wie ist Ihre Einschätzung?

Es zeigt sich, dass der Wirtschaftseinbruch viel stärker ist als jener nach der Finanzkrise vor zwölf Jahren. Das Sozialprodukt geht um das Zwei- oder Dreifache zurück im Vergleich zur Rezession 2008/09. Auch geht alles viel schneller. Damals zog sich die Rezession über anderthalb Jahre hin, jetzt passiert es innert weniger Monate. Das ist beispiellos.

Gab es das schon einmal, dass die ganze Welt zusammen in die Krise fällt?

Nein, in diesem Gleichschritt gabs das noch nie. Normalerweise sind es Kettenreaktionen. Jetzt sind alle mehr oder weniger gleichzeitig im gleichen Boot. So läuft das normalerweise in Konjunkturzyklen nicht.

Wie schwer wiegt ein längerer Ausfall der Weltkonjuntkurlokomotive USA?

Ein längerer Ausfall der USA wie auch von China ist ein Problem für die Weltwirtschaft. Allerdings liegen jetzt nicht einzelne Wirtschaftsblöcke lahm, sondern alle Nationen kämpfen mit der staatlich verordneten Rezession.

Alle Nationen kämpfen mit der staatlich verordneten Rezession.
Autor: Andreas Busch

Stichwort «staatlich verordnete Rezession». Haben die Regierungen überreagiert?

Ich weiss nicht, ob diese Frage vernünftig beantwortet werden kann. Angenommen, die Epidemie kann durch die Massnahmen eingedämmt werden und es gibt nur in einzelnen Nationen ein Gesundheitsnotstand: Dann könnte man im Nachhinein sagen, dass die Epidemie aus gesundheitlichen Überlegungen gar nicht so schlimm gewesen sei. Aber vielleicht war sie ja gerade dank der restriktiven Massnahmen nicht so schlimm.

Man kann ja nur auf der Basis der aktuellen Entwicklung agieren. Und da ist es sicher ein guter Versuch, die Gesundheitssysteme zu schützen und erst mal einen wirtschaftlichen Einbruch in Kauf zu nehmen. Natürlich muss man abwägen, wie lange man das durchhalten kann.

Wie lange kann man das durchhalten?

Es gibt keine Erfahrungen. Ein ganz entscheidender Punkt für die Wirtschaft wird sein, wie man die Virus-Epidemie eindämmen kann. Zum Aspekt, dass etwa das Konjukturprogramm in China der Welt helfen könnte: Auch China geht aus Angst vor einer zweiten Welle sehr restriktiv vor, und das öffentliche Leben kommt nur sehr langsam wieder in Gang. Das beste Konjunkturprogramm wäre, einen Weg zur Eindämmung des Virus zu finden: Sei es eine Impfung, was wahrscheinlich noch sehr lange dauert. Sei es, den Lockdown auf die Infizierten zu fokussieren, etwa mit Handy-Tracking-Apps.

Aber es gibt Anzeichen, dass die Stimmung in der chinesischen Industrie sehr viel besser ist als vor einem Monat?

Die Entwicklung in China macht insofern Mut, als dass die Daten der Binnenwirtschaft zum Personenverkehr und Energieverbrauch wieder auf das Niveau vor der Krise zusteuern. China könnte aber von einer zweiten Welle erwischt werden, die nichts mit dem Virus zu tun hat, sondern mit der Aussenwirtschaft.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass China den Karren aus dem Dreck zieht.
Autor: Andreas Busch

Denn China ist mit 15 bis 20 Prozent des BIP nach wie vor sehr exportabhängig und der Welthandel wird einen einzigartigen Einbruch verzeichnen. Ich kann mir also nicht vorstellen, dass China den Karren aus dem Dreck zieht. Alle Konjunkturprogramme haben das Problem, dass sie erst richtig greifen, wenn die Restriktionen gelockert werden.

Das Gespräch führte Charlotte Jacquemart.

SRF 4 News, 06.04.2020, 08:15 Uhr ; 

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