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Drohnenland Schweiz Vom ETH-Labor auf den Weltmarkt

US-Ölmultis interessieren sich für Drohnen aus der Schweiz. Die kleinen Flieger sollen das Image des Landes polieren.

Die Drohne, an der Timo Müller und sein Team an der ETH Zürich tüfteln, kann nicht nur fliegen und sehen, sie kann auch berühren. Das macht sie interessant für Aufgaben in der Höhe.

«Das können Arbeiten an einer Fassade sein, das kann eine Inspektion eines Öltanks oder einer Brücke sein», sagt Timo Müller, der den Grundstein für die neue Entwicklung mit seiner Masterarbeit legte.

Mit der Drohne könne man die Dicke einer Wand eruieren oder den Korrosionszustand von armiertem Beton. Kurz: «Wir versuchen, eine Hand in den Himmel zu bekommen, ohne dass man ein Gerüst braucht».

Zahlreiche Firmen klopfen an

Das Unternehmen wird erst in den kommenden Monaten gegründet, Voliro wird es heissen. Und doch haben bereits Firmen aus dem In- und Ausland Interesse an der «Hand im Himmel» signalisiert.

ETH-Studenten/Unternehmer steuern Drohne
Legende: Timo Müller und Mina Kamel testen ihre neuartige Drohne. SRF

«Nächsten Monat fliegen wir in die USA, um einem grossen Öl-Konzern unsere Drohne zu präsentieren», sagt Müller. Er sei von Firmen von «fast überall auf der Welt» kontaktiert worden: von Firmen aus der Bau-, der Öl- und Gasbranche.

Zufall, aber nicht nur

Voliro wird sich im Markt noch behaupten müssen, steht aber doch beispielhaft für eine Branche, die rasch wächst. 80 Firmen sind laut Zahlen des Bundes in der Schweizer Flugrobotik tätig, 3000 Mitarbeitende. Mit Sensefly und Skybotix wurden auch schon Schweizer Drohnen-Startups von internationalen Playern übernommen.

ETH-Robotik-Professor Roland Siegwart überrascht der gute Ruf der Schweizer Drohnen nicht. Schweizer Firmen und Forschungsinstitute hätten die Kompetenzen, die es in diesem Markt brauche, sagt er im Interview mit SRF (siehe Textbox). Und gibt unumwunden zu, dass der Zufall auch eine Rolle gespielt haben dürfte.

Roland Siegwart Portrait
Legende: Bringt Drohnen-Unternehmen zum Fliegen: ETH-Professor Roland Siegwart. SRF

Siegwart: «Wir wollen nicht, dass Google oder Facebook uns kauft»

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SRF: Herr Siegwart, Schweizer Drohnen-Startups werden international beachtet, die Schweiz mischt bei professionellen Drohnen vorne mit. Weshalb?

Roland Siegwart: Zum einen ist es vielleicht ein bisschen Zufall, dass wir an den Forschungsinstitutionen im richtigen Moment das Richtige gemacht haben. Das zweite ist, dass wir an Hochschulen und in der Industrie in allen Bereichen, die wichtig sind für Drohnen, kompetent sind: in der Präzisionsmechanik, der Sensortechnik, der Regelungstechnik, der Künstlichen Intelligenz – und bei der Integration des Ganzen.

Das würden andere Länder auch von sich behaupten. Steckt noch mehr dahinter?

Es ist auch eine Kulturfrage. Wir haben viele junge Leute, die nach dem Studium eine Firma gründen wollen, viele Studierende, die während des Studiums Projekte machen, bei denen sie sich fragen, wie sie das später auf den Markt bringen können.

China ist im Drohnenmarkt führend, stellt mit DIJ auch den Weltmarktführer bei zivilen Drohnen. Können wir da mithalten?

Ja, aber in anderen Segmenten. China ist enorm gut in der Massenproduktion. Übrigens basiert vieles von dem, was DIJ macht, auf unseren Technologien. Wir hatten den CEO von DIJ auch schon plötzlich bei uns im Labor. Er rühmte uns, dass wir sehr vieles von der Basisentwicklung gemacht haben.

Wo kann sich die Schweiz behaupten?

In den Bereichen, die ich als «professional use» bezeichne: Drohnen für Feuerwehrleute, für die Polizei oder für die Landwirtschaft. Hier geht es nicht um die Drohne allein, sondern um das ganze Umfeld. Das sind andere Märkte, typischerweise kleinere Segmente, und da ist die Schweiz sehr gut, weil wir sehr gute Systemdenker sind.

Das scheint ausländischen Playern auch aufzufallen. Sensefly wurde von Parrot, der weltweiten Nummer zwei, übernommen, Skybotix von GoPro.

Der beste Weg, um gute Leute zu holen und zu integrieren, ist, Startups zu kaufen.

Rechnen sie damit, dass es noch mehr solche Übernahmen gibt?

Ich hoffe nicht, und ich setze mich ein, dass das nicht mehr vorkommt. Meine Vision ist, dass wir Firmen selbst skalieren und zu namhaften Firmen in diesem Bereich entwickeln. Wir können in der Schweiz immer mehr Investoren für solche Startups gewinnen, etwa familiy offices, die begeistert sind und eine langfristige Vision haben. Wir wollen nicht, dass Google oder Facebook uns kauft – und somit das Risiko steigt, dass Arbeitsplätze aus irgendwelchen Gründen verloren gehen.

Die ETH beteiligt sich an manchen Spinoffs. Weshalb?

Da geht es in der Regel um eine Grössenordnung von 10 bis 20 Prozent, und das nur bei Startups, in die wir beispielsweise über das Forschungszentrum Wyss Zürich in den Technologietransfer direkt investieren. Ziel ist, dass wir irgendwann einen Return haben, damit wir die nächste Generation von Startups unterstützen können. Unsere Hauptaufgabe sind Lehre und Forschung, aber auch Technologietransfer – um spannende, neue Arbeitsplätze zu ermöglichen.

Für die Schweiz sollen Drohnen dereinst mehr sein als «nur» eine Wachstumsbranche. Sie sollen für das Land stehen, wie es heute Uhren, Käse oder Schokolade tun.

Spitzenplätze in Rankings genügen nicht

Präsenz Schweiz, die Standortförderung des Bundes, hat dafür 2018 die Kampagne «Switzerland – home of drones» lanciert. «Die Schweiz ist noch zu wenig für ihre Tech- und Digitalindustrie bekannt, obwohl sie bei vielen Rankings Spitzenplätze belegt», sagt Nicolas Bideau, Chef von Präsenz Schweiz.

Paris, Japan, Las Vegas: Bideau wirbt auf Technologiemessen für die Schweizer Drohnen. «Wir wollen Investoren anlocken. Und Firmen, die ihre Drohnen in der Schweiz testen. Wir wollen Europas Drohnenlabor werden.»

Budget der Kampagne: eine Million Franken, inklusive Beiträge von institutionellen Partner. Die Hälfte bezahlt der Bund.

In China produzieren? Nein danke

Ein Drohnen-Cluster ist im Welschland entstanden. Die ETH Lausanne bietet Vorlesungen im Bereich «Aerial Robotics» an, die bei Studenten äusserst beliebt sind.

Mann hält Drohne
Legende: Die ETH Lausanne tüftelt an Lieferdrohnen. RTS

Und welsche Firmen schreiben Wachstumsgeschichten. Beispiel Flyability: Das Lausanner Startup ist innert vier Jahren von zwei auf 75 Mitarbeiter gewachsen. Und hat 500 fliegende Inspektionsroboter verkauft. Für 25'000 Franken das Stück.

Frau hält Drohne.
Legende: Inspektionsdrohnen von Flyability: eine Wachstumsgeschichte. RTS

Flyability produziert alles in Lausanne. Das rechne sich, sagt Firmenchef Patrick Thévoz: «Es ist ein riesiger Vorteil, hier zu produzieren, wo unsere Entwickler sind. So sind wir schneller, als wenn wir das Design machen und es zur Produktion an eine Fabrik in China schicken.»

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