Konsens ist etwas Schönes. Aber Konsens zu erreichen, ist beschwerlich. Die Welthandelsorganisation ist aber genau auf diesem Prinzip aufgebaut. Damit etwas beschlossen werden kann, darf keiner der 164 Mitgliedstaaten, darunter auch die Schweiz, dagegen sein. Also muss verhandelt und gefeilscht werden, bis alle im Boot sind. Das gelingt selten – und wenn es gelingt, dann hat der kleinste gemeinsame Nenner seinen Namen meist verdient. So auch dieses Mal bei der Ministerkonferenz in Abu Dhabi.
Keine Lösung für WTO-Gericht und Überfischung
Obwohl der Druck gross war, etwas zu erreichen, und die Konferenz mehrmals verlängert wurde, gelang es nicht, weitere Massnahmen gegen die Überfischung der Meere zu beschliessen. Nachdem sich die Staatengemeinschaft an der letzten Ministerkonferenz darauf geeinigt hatte, gewisse Subventionen für Fischer zu verbieten, wollte sie diesmal noch einen Schritt weitergehen. Doch die Differenzen blieben zu gross.
Auch bei der Reform des WTO-Gerichts kamen die Staaten nicht weiter. Das Gericht kann seit fünf Jahren keine rechtskräftigen Entscheide mehr fällen, weil die USA die Ernennung von Richtern blockieren. Die WTO-Mitglieder bekräftigten in Abu Dhabi aber lediglich, dass sie das Problem bis Ende Jahr lösen wollen. Das wäre wichtig, denn gerade das Streitbeilegungssystem ist einer der tragenden Pfeiler der WTO.
Eine Einigung gab es lediglich bei den Digitalzöllen zu vermelden. 1998 hatten sich die WTO-Staaten darauf geeinigt, vorläufig keine Zölle auf Videos, Musik oder Computerspiele zu erheben, wenn diese über das Internet in ein anderes Land übertragen werden. Dieses provisorische Verbot wurde immer wieder verlängert, so auch dieses Mal. Allerdings war der Widerstand Indiens, Südafrikas und Indonesiens gross. Einerseits, weil sich diese Staaten hohe Einnahmen von den Zöllen versprechen und anderseits, weil sie ihre eigenen Digitalindustrien schützen wollen. Das Ganze scheint für die Industriestaaten und manche Entwicklungsländer deshalb nur ein Erfolg auf Zeit.
WTO müsste sich den Umständen anpassen
Trotzdem darf man das Ergebnis – oder eben Nicht-Ergebnis – der Konferenz auch nicht überbewerten. Die WTO ist deshalb nicht tot, wie oft behauptet wird. Denn der überwiegende Teil des weltweiten Handels basiert nach wie vor auf den Regeln der Organisation. Auch der Beitritt von zwei neuen Staaten, den Komoren und Osttimor, zeigt, dass der Beitritt zur WTO immer noch als vorteilhaft angesehen wird.
Allerdings stellt sich schon die Frage, wie das Handelsrecht an die neuen Herausforderungen der Zeit angepasst werden kann. Viele sehen die einzige Lösung darin, Abkommen abzuschliessen, bei denen nicht mehr alle Staaten dabei sind. So nach dem Motto: Der Klub der Willigen macht vorwärts, in der Hoffnung, dass sich die anderen Staaten auch irgendwann anschliessen.
Doch auch gegen dieses Vorgehen regt sich Widerstand. So lehnten es einige WTO-Staaten in Abu Dhabi ab, ein solches plurilaterales Abkommen ins WTO-Recht aufzunehmen. Das Abkommen war von 125 WTO-Mitgliedern unterzeichnet worden und soll diesen zufolge Investitionen in Entwicklungsländern fördern. Doch ein Teil der nicht beteiligten Staaten war der Auffassung, ein solches Abkommen untergrabe das System der WTO. Konsens ist also auch hier schwierig.