Wenn man die neusten Zahlen zum CO2-Ausstoss anschaut, passt die Entwicklung in Europa scheinbar nicht ins Bild. Während der Energieverbrauch und der CO2-Ausstoss weltweit auf einem Rekordniveau sind und weiter steigen, ist letzterer in Europa rückläufig. Weshalb das nicht nur eine gute Nachricht ist, erklärt SRF-Wirtschaftsredaktor Klaus Ammann.
SRF News: Wie hat es Europa geschafft, den CO2-Ausstoss zu senken?
Klaus Ammann: Europa hat die erneuerbaren Energien, also aus Sonne und Wind, ausgebaut. Man hat beim Stromsparen angesetzt und die Energieeffizienz verbessert. Haupttreiber dieser Entwicklung ist Deutschland.
Pro Kopf verbrauchen die Inder deutlich weniger CO2; etwa ein Drittel so viel wie die Europäer.
Dort ist der Energieverbrauch im letzten Jahr zurückgegangen und die CO2-Emissionen sind um 4.5 Prozent gesunken. Unter dem Strich – und das ist das Überraschende – ist die europäische Wirtschaft 1.8 Prozent gewachsen. Gleichzeitig ist der Energieverbrauch um 0.2 Prozent zurückgegangen.
Kann man sagen: Europa macht genug, jetzt sind die anderen dran?
Nein, das kann man nicht sagen. Auch Europa ist nicht auf Kurs, was die Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaabkommens betrifft. Deutschland beispielsweise hat sich in Bezug auf die Energie auf hohem Niveau nur leicht verbessert und wird die eigenen Ziele für 2020 verfehlen. Es gibt auch grosse Unterschiede zwischen den Ländern. Aber Europa macht gewisse Dinge richtig. Man hat ein Emissionshandelssystem eingeführt, das zwar noch nicht 100-prozentig funktioniert. Man hat auch andere politische Instrumente.
Diese Ansätze scheinen gut zu sein. Könnten andere Weltregionen die europäischen Bemühungen eins zu eins übernehmen?
Eins zu eins nicht, nein, und man muss auch sagen: Europa ist nicht in allen Bereichen vorne. Beispielsweise der Ölkonsum ist in Ländern wie Japan und Korea gesunken. In Europa hat er im letzten Jahr nur stagniert. Und gewisse Dinge, die Europa macht, machen andere Länder und Regionen auch.
China baut auch einen CO2-Emissionsmarkt auf und setzt ebenfalls auf den Ausbau der erneuerbaren Energien. Und vor allem darf man nicht vergessen, dass die Entwicklungsländer auf einem sehr viel tieferen Niveau starten. In Indien beispielsweise sind die Emissionen im letzten Jahr um fünf Prozent gestiegen. Das hat massiv zu diesem globalen Wachstum beigetragen.
Europäische Firmen haben energieintensive Produktionen ausgelagert. Diese belasten jetzt die Emissionen dieser Länder.
Aber pro Kopf verbrauchen die Inder immer noch deutlich weniger CO2; etwa ein Drittel so viel wie die Europäer. Und man muss mit einbeziehen, dass diese Regionen auch bis zu einem gewissen Grad Europa unterstützt haben, weil sie Emissionen aus der Produktion energieintensiver Waren übernommen haben. Europäische Firmen haben diese Produktion ausgelagert. Und die Emissionen belasten jetzt jene Länder, obwohl die Produkte hier konsumiert werden.
Global betrachtet sieht es also doch nicht so gut aus...
Ja. Schaut man sich den globalen Hunger nach Energie und die CO2-Bilanz der Energieproduktion an, so sah es im Jahr 2015 noch so aus, als ob man einen Höhepunkt erreicht hätte. Seither sind aber sowohl der Energieverbrauch wie auch der CO2-Ausstoss weiter gestiegen – und zwar deutlich. Sonne und Wind werden zwar gefördert, aber das reicht nicht, um die zusätzliche Nachfrage zu stillen. Die Welt ist, was die Pariser Klimaziele angeht, alles andere als auf Kurs.
Das Gespräch führte Isabelle Maissen.