Die Anlagestiftung Ethos wacht über gute Unternehmensführung, Corporate Governance in der Schweiz. Sie prangert Interessenskonflikte an, die fehlende Unabhängigkeit von Verwaltungsräten oder die Machtballung bei einzelnen Personen an der Spitze eines Unternehmens. Doch nun ist Ethos genau deshalb selbst in die Kritik geraten.
Die Kritik kommt aus dem eigenen Stiftungs- und Verwaltungsrat. Letzte Woche sind zwei prominente Mitglieder mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Eine davon ist die langjährige Chefin der Pensionskasse Post, Françoise Bruderer.
Ich habe mein Mandat als Stiftungsrätin wegen schwerwiegender Verstösse gegen die Corporate Governance mit sofortiger Wirkung niedergelegt.
Ebenfalls das Handtuch geworfen hat die bekannte, auf Corporate Governance spezialisierte Anwältin Monika Roth.
Vorwurf der Machtballung
Die zwei Expertinnen kritisieren, seitdem Ethos-Gründer Dominique Biedermann 2015 vom Stuhl des CEO auf den Sessel des Präsidenten der Anlagestiftung gerutscht sei, habe sich bei ihm zu viel Macht angesammelt. Biedermann präsidiert Stiftungs- und Verwaltungsrat der Ethos-Gruppe.
Mächtig ist nicht nur er selbst, sondern auch seine Ehefrau, die seit über 17 Jahren in der Geschäftsleitung von Ethos sitzt. Für den heutigen CEO Vincent Kaufmann ist das unangenehm: Er befindet sich quasi im Sandwich, denn er muss die Frau seines eigenen Chefs kontrollieren. Es ist eine Konstellation, die Ethos bei anderen Unternehmen anprangern würde.
Auch wenn ein CEO sich selbst als Präsident beerbte, hat Ethos das stets als schlechte Corporate Governance gerügt. Genau das hat Biedermann 2015 aber selbst getan – schon damals gegen den Willen von Bruderer und Roth.
Mahnungen verhallten ungehört
Schon seit zwei Jahren forderten die Expertinnen vom Ehepaar Biedermann wegen seiner Machtfülle, die Nachfolgeplanung anzugehen. Das sei bis heute nicht passiert. Im Gegenteil: Das Ehepaar führe Ethos immer stärker wie ihre eigene Firma und lasse keine divergierenden Meinungen mehr zu, so die Kritik.
Eskaliert ist die Lage letzte Woche, weil die Chefin der Pensionskasse Post den Ethos-Präsidenten aufforderte, an der nächsten Generalversammlung freiwillig zurückzutreten.
Ethos-Gründer Biedermann schweigt
Er wollte keine Stellung nehmen. Ethos-Vizepräsident Hans-Peter Uster sagt jedoch, man nehme die Kritik ernst: «Der strategische Ausschuss von Ethos wird sich dieser Thematik annehmen. Wir haben die Governance und die Ereignisse der letzten Woche traktandiert und werden nach der Sitzung zu gegebener Zeit Auskunft geben.» Die Sitzung des dreiköpfigen Gremiums findet diese Woche statt.
Mit Bruderer verliert Ethos nicht nur eine kompetente Stiftungsrätin, sondern vielleicht noch mehr.
Die Pensionskasse Post ist Kundin und Aktionärin von Ethos. Es ist sicher so, dass unsere Räte die Lage sachlich überprüfen werden.
Das könnten auch andere tun, denn Ethos hat über 200 Mitglieder, die zusammen rund 230 Milliarden Franken verwalten.