An der ETH werden Ingenieurinnen und Ingenieure für die Forschung ausgebildet, an der Nukleartechnikerschule in Baden jene, welche die Reaktoren in den Kernkraftwerken überwachen und steuern.
Zum Beispiel Michael Wernli und Michel Bürgin. Beide sind im Kernkraftwerk Leibstadt angestellt und beide sind fasziniert von der Technologie. Michael Wernli: «Kernenergie ist eine Energie mit einer hohen Energiedichte und es sind eindrückliche Motoren, mit denen wir Strom produzieren.»
Für Michel Bürgin hat sich mit der Anstellung im Kernkraftwerk Leibstadt ein Traum erfüllt: «Ich war schon als Jugendlicher fasziniert von diesem Kraftwerk, in meinem Zimmer hatte ich ein Poster davon.»
Keine Angst vor Katastrophen
Und wie stehen die beiden zu den Risiken, die die Kernenergie mit sich bringt? Was, wenn sich während ihrer Schicht im Werk ein schwerwiegender Vorfall mit Auswirkungen auf möglicherweise hunderttausende Menschen ereignen würde?
Michael Wernli ist überzeugt, dass die Risiken in den Schweizer Kernkraftwerken äusserst gering sind. Er und seine Kolleginnen und Kollegen werden von hoch qualifizierten Leuten ausgebildet. «Deshalb war es für mich vertretbar, so einen Job auszuführen», sagt er. Michel Bürgin pflichtet ihm bei. Man sei ja im Kommandoraum nie allein, sondern zu fünft: «Und ich denke, wir werden dann, wenn es so weit ist, schon richtig reagieren und die richtigen Massnahmen einleiten.»
Im Zentrum steht der Simulator
Ausgebildet werden die beiden in einem Raum an der Nukleartechnikerschule, der aussieht wie irgendein Klassenzimmer. Nur etwas fällt auf: Hinten im Raum steht eine grosse Schalttafel mit vielen Lämpchen und drei grossen Monitoren darüber – der Simulator.
Hier unterrichtet Petros Papadopoulos Reaktorsicherheit. Er demonstriert den Simulator, schaltet mal die Hauptkühlpumpe des fiktiven Reaktors aus. Gleich ertönen Warnsignale, Lämpchen beginnen zu blinken.
Dieser Simulator ist nur eine Mini-Version der Simulatoren im Massstab 1:1, wie sie in jedem Schweizer Kernkraftwerk anzutreffen sind. Doch der Simulator habe einen grossen Vorteil, so Papadopoulous: «Man versteht hier gewisse Phänomene einfach schneller als am hochkomplexen 1:1- Simulator im Werk.» Das sei wichtig für den Unterricht.
Jeder Reaktor ist anders
Nach drei Semestern in Baden folgen drei Semester im Kraftwerk. Jedes Jahr steigen rund zehn Studierende neu in die Ausbildung ein. Etwa zwei Drittel kämen aus der Schweiz, erklärt Schulleiter Hansjörg Künzli. Die übrigen seien deutsche Kollegen, die wegen der Abschaltung der dortigen Atomkraftwerke ihre Stelle verloren hätten.
Auch Sie müssen hier – trotz teils langjähriger Erfahrung – nochmals die Schulbank drücken. Der Grund: Jedes Kernkraftwerk ist anders und Operateure müssen ihr Werk in- und auswendig kennen.
Neben dem technischen Verständnis und der hohen Belastbarkeit gibt es noch eine weitere Bedingung, die Reaktoroperateure erfüllen müssen: Jeder Operateur, jede Operateurin muss Schweizerdeutsch verstehen. Künzli erklärt: «Wenn es anormale Situationen gibt und es hektisch wird, fällt man immer in die Mundart. Deshalb müssen alle Leute, die im Kommando-Raum arbeiten, Schweizerdeutsch verstehen.»
Die Schweizer KKW
Kraftwerke müssen die Schule betreiben
Anders als in Deutschland, wo die Kernkraftwerke ein fixes Abschaltdatum haben, dürfen sie in der Schweiz so lange weiter betrieben werden, wie sie sicher sind. Ein Energiekonzern, die Berner BKW, hat jedoch entschieden sein Kernkraftwerk, den Reaktor in Mühleberg, stillzulegen. Entsprechend hat sich die BKW auch aus der Finanzierung der Nukleartechnikerschule zurückgezogen.
Was, wenn weitere AKW stillgelegt werden und die Schülerzahlen sinken? Solange in der Schweiz Kernkraftwerke funktionierten, würden diese die Schule finanzieren, ist Schulleiter Künzli überzeugt: «Die Kernkraftwerke brauchen den Nachwuchs. Sie müssten die Anlage herunterfahren, wenn sie zu wenig Personal hätten.»
Der Traum vom neuen KKW
Und die Studierenden? Mittelfristig sehen sie ihren Job nicht in Gefahr: Der angehende Reaktoroperateur Wernli ist überzeugt, dass die bestehenden Kraftwerke noch bis weit in die 2030er-Jahre Strom produzieren werden. Diese Kernenergie gehöre zudem zu den klimafreundlichen Stromproduktionsarten und ergänze Wasser-, Sonnen- und Windkraft ideal, so Wernli.
Und weil neuere Forschungsarbeiten vor allem an kleinen günstigeren und effizienteren Reaktoren, den sogenannten Small Modular Reactors SMR vielversprechend tönen, hat Wernli die Hoffnung noch nicht aufgegeben: «Wer weiss, vielleicht wird man auch den Entscheid des Neubauverbots von Kernkraftwerken wieder rückgängig machen.»
Ein neues Kernkraftwerk in der Schweiz, obwohl das Kernenergiegesetz das explizit ausschliesst? Auch für Bürgin ein Traum: «Wenn man fasziniert ist von dieser Technik, dann ist ein neues Kraftwerk natürlich etwas vom Grössten, was es geben könnte. Das würde mir schon gefallen. Aber es ist in der Schweiz in absehbarer Zukunft nicht wahrscheinlich.»