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Furcht vor neuer Finanzkrise US-Notenbank geht in den Krisenmodus über

Die US-Notenbank Federal Reserve (FED) hat wegen der Folgen der Corona-Pandemie die Leitzinsen überraschend auf fast Null gesenkt und will für Hunderte von Milliarden von Dollar eigene Staatsanleihen aufkaufen.

Für die einen sind diese Massnahmen eine Panikreaktion, für die anderen das Letzte, was das FED überhaupt noch tun kann. Denn letzte Woche hat es Risse im Finanzsystem festgestellt. So konnten Händler US-Staatsanleihen beispielsweise nur noch schwer verkaufen. Das ist sehr untypisch in Krisen, denn normalerweise retten sich Anleger in diese als sicher geltenden US-Staatsschulden, wenn es an der Börse abwärts geht. Und das ging es ja.

Wiederholung von 2008...

Doch viele Besitzer von US-Schuldpapieren – Firmen, Versicherungen, Banken, Pensionskassen, Fonds – wollten diese verkaufen, weil sie in der momentanen Krisenlage Liquidität brauchen. Dieser Engpass im Handel mit US-Schuldpapieren hat die Notenbank alarmiert. Nun will sie selbst für total 700 Milliarden Dollar US-Staatsanleihen und auch Hypothekarpapiere aufkaufen – wie schon in der Finanzkrise 2008.

Dass das FED zudem gleichzeitig mit anderen Notenbanken – so auch der Schweizerischen Nationalbank – für alle Banken sicherstellen will, dass diese weiterhin günstigen Zugang zum Dollar haben und der Dollarmarkt nicht austrocknet, ist grundsätzlich ein gutes Zeichen. Gleichzeitig zeigt es aber auch, für wie schwerwiegend die Notenbanken die Krise mittlerweile halten.

Im Anleihen- und Geldmarkt dürfte das massive Geschütz, dass die US-Notenbank auffährt, die Märkte wohl fürs Erste stabilisieren. Die Börsen hingegen vermochte die massive Zinssenkung von einem Prozent auf fast Null nicht beruhigen. Die Kurse fallen heute Morgen. Die Anleger stufen die Aktion des FED offenbar eher als Panikaktion ein und trennen sich erst Recht von all ihren Aktien. Damit droht der Effekt der Leitzinssenkung zu verpuffen.

... mit umgekehrten Vorzeichen

Sicher ist: Geldpolitik alleine kann die Folgen der Pandemie nicht bekämpfen. Denn im Gegensatz zur Finanzkrise haben wir heute eine Krise in der Realwirtschaft, die nun die Finanzmärkte ansteckt – 2008 war das genau umgekehrt. Heute sind die Lieferketten unterbrochen, Firmen müssen teilweise ihre Arbeit einstellen, Produkte werden gar nicht mehr hergestellt.

Und die Konsumenten sitzen zu Hause und können nicht mehr konsumieren. Die Pandemie beschädigt also die Angebots- und die Nachfrageseite.

Einen ersten Vorgeschmack, wie sehr die Pandemie die Realwirtschaft belastet, gab heute Morgen in China: Die Industrieproduktion (-13 Prozent) und die Detailhandelsumsätze (-20 Prozent) fielen im Januar und Februar stärker als erwartet. Mittlerweile rechnen Anleger mit einer Rezession, mit Firmen, die Konkurs gehen, mit Jobs, die gestrichen werden.

Und in einem solchen Szenario verkaufen viele einfach 'mal alle Kapitalanlagen, um liquide zu sein. Gut möglich, dass das FED einen Teil seines Pulvers heute Nacht umsonst verschossen hat.

Charlotte Jacquemart

Wirtschaftsredaktorin

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Charlotte Jacquemart hat an der Universität Zürich Ökonomie studiert und arbeitet seit Juni 2017 als Wirtschaftsredaktorin bei Radio SRF. Zuvor war sie 13 Jahre lang bei der «NZZ am Sonntag» tätig.

SRF 4 News, 16.03.2020, 07:00 Uhr eglc;snep

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