Zum Inhalt springen

Gestohlene Bankkunden-Daten «Das war der Todesstoss für das Bankgeheimnis»

Jahrelang haben deutsche – und andere – Behörden hohe Summe für gestohlene Bankkundendaten bezahlt. So konnten sie Steuersünder aufspüren.

Nicht nur aus Sicht der Schweizer Banken war das ein Angriff auf den Schweizer Finanzplatz, wie Bankenprofessorin Monika Roth ausführt.

Monika Roth

Rechtsprofessorin, Hochschule Luzern

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Monika Roth ist Rechtsprofessorin an der Hochschule Luzern. Sie ist spezialisiert auf Corporate Governance, Finanzmarktrecht und Wirtschaftsstrafrecht.

SRF News: Handeln mit gestohlenen Bankkundendaten sei ein Angriff auf den Schweizer Finanzplatz – stimmt dieses Bild?

Monika Roth: Ja das stimmt. Das Strafgesetzbuch behandelt solche Sachverhalte unter dem Titel des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes für einen fremden Staat. Im vorliegenden Fall hat man die Integrität, die Glaubwürdigkeit und die Verlässlichkeit des Finanzplatzes angegriffen. Zudem war der Datenklau selber kriminell. Zunächst wurde das Geschäftsgeheimnis verraten – das ist strafbar. Die gestohlenen Daten wurden sodann den Organen eines fremden Staats zugänglich gemacht – das ist wirtschaftlicher Nachrichtendienst.

Interessant für ausländische Behörden ist der Datenklau allenfalls noch in Fällen von Briefkasten-Konstrukten.

Es gibt noch andere Fälle, in denen Schweizer Banken Bankkundendaten gestohlen und an interessierte ausländische Behörden verkauft wurden. Hat das Ausland auch heute noch Interesse an solchen Daten?

Wohl nicht mehr ganz so dringend – doch es gibt noch ein Rest-Interesse an solchen Datensätzen. Interessant für ausländische Behörden könnte ein Datenklau etwa in Fällen von Briefkasten-Konstrukten sein, in denen die Behörden die wirtschaftlich Berechtigten nicht eruieren können.

Inzwischen ist der Automatische Informationsaustausch (AIA) eingeführt worden. Was hat sich damit verändert?

Der Markt für gestohlene Daten ist kleiner geworden. In vielen Fällen sind die so erworbenen Daten nicht mehr notwendig, um herauszufinden, wo welche Staatsbürger Geld deponiert haben.

Mit dem AIA ist ein Tabu gebrochen worden. Die Transparenz über Guthaben bei Banken ist ein absolutes Novum.

Sind wir mit dem AIA in einer ganz neuen Ära angelangt? Schliesslich erfahren die ausländischen Behörden ganz automatisch von den Geldern ihrer Steuerpflichtigen auf einem Schweizer Konto?

Zweifellos, ja. Mit dem AIA ist ein Tabu gebrochen worden. Das kam für die Schweiz völlig überraschend und unschweizerisch rasch. Die Transparenz über Guthaben bei Banken ist ein absolutes Novum.

Symbolbild: CD mit Schweizer Flagge, die sich darin spiegelt.
Legende: CDs mit Daten von Schweizer Bankkunden: Etliche Diebe machten ein gutes Geschäft mit ausländischen Behörden. Keystone Archiv

Gibt es jetzt also überhaupt kein Schwarzgeld mehr auf Schweizer Konten?

Das würde ich nicht unterschreiben. Allerdings ist es heute viel schwieriger, als Ausländer in der Schweiz deponiertes Geld vor den eigenen Behörden zu verstecken. Es braucht Konstrukte wie Briefkastenfirmen und anderes, damit das allenfalls noch möglich ist. Ein blosses Schweizer Bankkonto reicht dafür nicht mehr.

Man erinnert sich daran, wie Peer Steinbrück 2008 die Kavallerie in die Schweiz schicken wollte.

Haben die Fälle von Datendiebstahl massgeblich dazu beigetragen, dass die Schweiz das Bankgeheimnis aufgegeben hat?

Wahrscheinlich schon. Dadurch wurde die öffentliche und politische Aufmerksamkeit auf das schiere Ausmass der hinterzogenen Gelder aus dem Ausland gelenkt. Man erinnert sich daran, dass der damalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück 2008 die Kavallerie in die Schweiz schicken wollte. Dies – in Verbindung mit der Finanznot der ausländischen Staaten nach der Finanzkrise – hat dazu beigetragen, dass die Diskussion um das Schwarzgeld in der Schweiz an Schwung und Tiefe gewann. Das war wohl so etwas wie das Tüpfelchen auf dem i, das dem Bankgeheimnis den Todesstoss versetzt hat.

Das Gespräch führte Jan Baumann.

Das Aus für den Datenklau als Geschäftsmodell

Box aufklappen Box zuklappen

Über Jahre war der Verkauf von Kundendaten ans Ausland ein einträgliches Geschäft. Denn in Ländern wie Deutschland und Frankreich versuchten die Behörden, mit solchen Informationen ihren Steuersündern auf die Schliche zu kommen. Politiker wie Norbert Walter-Borjans, Finanzminister des deutschen Bundeslands Nordrhein-Westfalen, machten beträchtliche Summen locker für geklaute Bankdaten. Rasch zeigte sich: Auf Schweizer Bankkonten gab es einiges zu holen an Schwarzgeld. Scharenweise zeigten sich deutsche Steuersünder in der Folge selbst an, um mit dem heimischen Fiskus ins Reine zu kommen. Doch dank dem nun geltenden AIA taugt der Datenklau und -weiterverkauf für abtrünnige Bankangestellte nicht mehr viel – diese Zeiten sind vorbei, der Steuerstreit mit Deutschland ist Geschichte. Und Missetätern wie dem 45-jährigen ehemaligen UBS-Banker hat die Schweizer Justiz inzwischen den Prozess gemacht. (bauj)

Meistgelesene Artikel