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Getrübte Bilanz Das belastete Erbe der Christine Lagarde

Die IWF-Tagung findet erstmals seit 2011 ohne die Französin statt. Ihre Hinterlassenschaft beim IWF gibt zu reden.

In einem sind sich die meisten Beobachter einig: Christine Lagarde, die charmante Französin und Grande Dame der Finanzwelt, hat die Reputation des IWF in ihrer achtjährigen Amtszeit deutlich aufpoliert und ihn nach aussen viel sichtbarer gemacht.

«Madame Lagarde ist es gelungen, durch geschicktes politisches Navigieren die Moral der Organisation wieder herzustellen», sagt der frühere indische Notenbankchef und Ex-Chefökonom des IWF, Raghuram Rajan.

Als Lagarde die Führung der mächtigen Finanzinstitution 2011 übernahm, war deren Ruf ramponiert. Schuld daran war Lagardes Vorgänger Dominique Strauss-Kahn. Noch im Amt wurde der Franzose wegen Vorwürfen sexueller Belästigung verhaftet, er musste zurücktreten.

Lagarde machte den IWF politischer

Nicht nur deshalb war Lagardes Start schwierig. Der Juristin und früheren französischen Finanzministerin trauten viele nicht zu, die Organisation mit ihren Hunderten Ökonomen kompetent zu führen. Zu den Zweiflern gehörte auch der frühere UBS-Chefökonom Klaus Wellershoff.

Tatsächlich habe sich der IWF unter Lagarde zu seinem Nachteil verändert, sagt er. «Der IWF ist politischer geworden.» Das habe den einen oder anderen Kollateralschaden zwar abgedämpft. «Doch der Institution selber hat das nicht so gut getan.»

Was Wellershoff damit meint ist, dass der IWF unter Lagarde seine Kredite stärker aufgrund politischer denn auf rein ökonomischer Kriterien vergeben hat. Der Ökonom nennt das Beispiel Argentinien. Vor einem Jahre hatte der Währungsfonds dem völlig überschuldeten Land mit 57 Milliarden Dollar den grössten Kredit der IWF-Geschichte gewährt.

Milliardenkredit für insolventes Argentinien

Dass Lagarde damit auch US-Präsident Donald Trump einen Gefallen tat, ist ein offenes Geheimnis. Argentinien sei zu einem Zeitpunkt nochmals geholfen worden, da alle massgebenden Kenner der Situation betont hatten, dass das nichts mehr bringe, sagt Wellershoff.

Tatsächlich war das Land schon 2017 hoffnungslos überschuldet. Inzwischen habe sich bestätigt, dass die Entscheidung falsch gewesen sei, so Wellershoff. Ob der IWF sein Geld je zurückbekommt, ist offen.

Die Ökonomie-Professorin Daniela Gabor von der Universität Bristol ist aus ganz anderen Gründen von der abgetretenen IWF-Chefin enttäuscht. Lagarde habe zwar neue Themen wie die Bekämpfung von Ungleichheit auf die Agenda des IWF gesetzt. Doch in der Praxis habe sie es nicht geschafft, Ungleichheit einzudämmen und den IWF zu einem sozialeren Kreditgeber zu machen.

Harte Sparauflagen gegen harte Dollars

«Die brillante Kommunikatorin hat damit die Gelegenheit verpasst, den IWF umzukrempeln», sagt Gabor. Sie nennt die Beispiele Ägypten und Ecuador. Beide Länder haben Kredite vom IWF bekommen und mussten im Gegenzug bestimmte Auflagen erfüllen.

Der IWF verordne Ländern harte Sparauflagen, wie die Streichung von Subventionen für Benzin und Diesel. Der Sozialstaat werde abgebaut. Und auch wenn der IWF inzwischen kleine Ausnahmen für Härtefälle zulasse, als Folge der Sparprogramme seien in Ägypten wie auch in Ecuador Armut und Arbeitslosigkeit gestiegen.

Die Bewältigung dieser Krisen dürfte auch auf der bevorstehenden IWF-Jahrestagung zu reden geben. Damit bleibt ein Schatten auf der Bilanz der eben abgetretenen IWF-Chefin Christine Lagarde.

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