Konjunkturexperten sind sich an Quartals-Verschiebungen bei den Wachstumszahlen im tiefen Null-Komma-Etwas-Bereich gewohnt. Gehts einmal gegen ein ganzes Prozent, herrscht zu normalen Zeiten schon mittlere Aufregung. Nun ist die Schweizer Wirtschaft um historisch einmalige 8.2 Prozent geschrumpft. Und die Reaktionen der Ökonomen sind: verhalten positiv.
«Etwas weniger dramatisch als ursprünglich befürchtet», ist gleich mehrfach zu hören. Und der Einbruch sei «im internationalen Vergleich gering». Angesichts des Lockdowns sind die pessimistischsten Prognostiker nämlich von einem Minus im zweistelligen Bereich ausgegangen.
Pharmabranche legte zu, Gastronomie schrumpft
Allerdings widerspiegelt der zusammenfassende Blick des Bruttoinlandprodukts die Situation in einzelnen Branchen nur ungenügend. Die Pharmabranche, als Extrembeispiel, legte beim Umsatz sogar zu. Vom Gesundheitssektor – Spitäler, Ärzte, Therapeuten – müsste man eigentlich annehmen, dass er von einer Gesundheitskrise profitieren kann. Stattdessen ist er wegen des Lockdowns überdurchschnittlich geschrumpft.
Auch die Betrachtung von Quartal zu Quartal kann zu zweifelhaften Schlüssen verleiten. So ist das Gastgewerbe von April bis Juni im Vergleich zum Vorquartal um absolut dramatische 54 Prozent geschrumpft. Im dritten Quartal – dafür benötigt man keine Kristallkugel – dürfte dafür ein rekordhohes, zweistelliges Wachstum folgen.
Vergleicht man dann die enorm tiefen Gastro-Umsätze zu Zeiten des reinen Takeaway-Betriebs während des Lockdowns mit dem Sommergeschäft von Juli bis September, wird sich ein fast schon märchenhaftes prozentuales Wachstum ergeben.
Allerdings erkennt die wahre Lage im Gastgewerbe erst, wer auf die absoluten Zahlen blickt: Von 100 Franken Umsatz vor Corona sind per Mitte 2020 noch 37 Franken übriggeblieben. Ob sich in Schweizer Restaurants, Hotels und Bars die Umsätze je aufs Vor-Corona-Niveau erholen werden, ist deshalb fraglich.
In Zeiten riesiger Schwankungen von Quartal zu Quartal empfehlen Experten deshalb, den Blick auf das absolute Niveau der Wirtschaftsleistung richten. Und dieses lag für die gesamte Wirtschaft im zweiten Quartal im Durchschnitt bei nicht ganz 90 Prozent des Volumens vor Corona-Zeiten. Auch die gesamte Schweizer Wirtschaft wird viel Zeit brauchen, um sich wieder auf 100 Prozent zu erholen.