Das Wichtigste in Kürze:
- Inländer sollen künftig bei der Arbeitssuche gegenüber Ausländern bevorzugt werden. Das ist die Idee der neuen Stellenmeldepflicht, die für Schweizer Unternehmen ab diesem Sommer gilt.
- Bei Berufen mit einer Arbeitslosigkeit von acht Prozent oder mehr müssen die Unternehmen diese Stelle zuerst exklusiv den RAV melden, erst später dürfen sie auch im Ausland rekrutieren.
- Diese neue Regel stellt vieles auf den Kopf – beim Bund, bei den Kantonen und den Arbeitgebern.
In der Küche des Berner Hotels «Schweizerhof» schwirren ein Dutzend Frauen und Männer in weissen Schürzen herum. Darunter der Chef de Cuisine, eine Jung-Köchin, ein Gemüseschneider und das Abwaschpersonal. In der Statistik des Bundes werden sie als Küchenpersonal zusammengefasst, das von einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit von neun Prozent betroffen sei.
Dass alle Berufe in einen Topf geworfen werden, schmeckt Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer überhaupt nicht. Er befürchtet, dass so ab Juli auch Köche unter die Stellenmeldepflicht fallen. Und das, obwohl laut Platzer ein akuter Kochmangel herrscht: «Die Branche sucht sie und findet keine. Und uns wird gesagt, es habe genügend Köche bei den RAV – dem ist aber nicht so.»
Es wird ein Bürokratiemonster geben, das den Unternehme in der Suche der Mitarbeiter behindert. Das kann es nicht sein.
Fachkräfte wie Köche, von denen es zu wenige gebe, müssten zwingend von Hilfskräften wie Tellerwäscher unterschieden werden, fordert er. Es könne nicht sein, dass Hotels und Restaurants ein aufwendiges Meldeprozedere durchmachen müssten, obwohl es null Aussicht gebe, beim RAV einen Koch zu finden.
Zweifel am Sinn der Übung
Ausserdem bezweifelt Platzer, dass das Stellenmeldesystem des Bundes brauchbare Resultate liefern wird. Heute funktioniere das auf jeden Fall nicht: «In unserem Betrieb habe ich seit zwei Monaten eine Stelle im Servicebereich ausgeschrieben. Ich habe noch keine Bewerbung von den RAV bekommen – obwohl die Stelle auch dort ausgeschrieben ist.» Irgendetwas funktioniere dort noch nicht optimal, folgert Platzer.
Und so kommt er zum Schluss: «Wie es im Moment aussieht, wird der Inländervorrang keine Wirkung zeigen. Es wird ein Bürokratiemonster geben, das den Unternehmer in der Suche der Mitarbeiter behindert. Das kann es nicht sein.»
Bis im Sommer hat sich der Gastrosuisse-Präsident darum zum Ziel gesetzt, nochmals Einfluss auf die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren zu nehmen – und auf das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), welches das Stellenmeldesystem zur Verfügung stellt. Grundsätzlich sei er nicht gegen die Meldepflicht, aber es gebe noch viele Baustellen.
Es ist ein Novum. Wir tun alle gut daran, wenn wir jetzt einmal Erfahrungen sammeln.
Etwas weniger hektisch, aber hochkonzentriert geht es im Büro von Oliver Schärli zu und her. Schärli leitet beim Seco den Bereich Arbeitsmarkt und lässt sich von einem Informatiker über den Stand des Projekts bringen.
Die Sorgen der Arbeitgeber kann er nachvollziehen: «Wir alle haben keine Erfahrung damit, es ist ein Novum. Wir tun alle gut daran, wenn wir jetzt einmal Erfahrungen sammeln», sagt Schärli. Vieles werde gut laufen, anderes könnte besser laufen: «Und das werden wir laufend verbessern.»
Aufwändiges Stellenportal
Im Fokus steht das Stellenportal «Job Room». Es wird derzeit von Informatikern und Testpersonen ausgebaut, damit es die Anforderungen an die künftige Meldepflicht erfüllen kann. Sechs Personen beim Seco und acht bei den Kantonen arbeiten daran, führt Schärli aus: «Arbeitgeber werden sich auf Job Room registrieren können und haben dann privilegierten Zugang in den geschützten Bereich. Dort können sie nicht nur schauen, ob die Stelle, die sie besetzen möchten, meldepflichtig ist. Sie können dort auch Zugang zu den Stellensuchenden erhalten.»
Das künftige System soll Stellenangebote so weit wie möglich automatisch mit den Profilen der Arbeitslosen abgleichen. Das bedarf einer präzisen Meldung der Arbeitgeber auf der einen Seite und auf der anderen Lebensläufe der Stellensuchenden, die richtig codiert sind.
Heute schaffe der «Job Room» dieses Matching noch nicht, sagt Schärli: «Die Lebensläufe werden noch nicht automatisiert eingelesen. Das System muss noch manuell gefüttert werden durch die Personalberater. Wir können noch einiges an Effizienzfortschritten erzielen.» Und genau das habe man nun auch vor – schrittweise und in Zusammenarbeit mit den Kantonen. Sprich: Mit den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren RAV.
Wenn wir das seriös betreiben, habe ich Hoffnung, dass dort wo heute häufig ausländische Arbeitnehmende in die Schweiz geholt werden, die Quote an Stellensuchenden heruntergebracht werden kann.
In Aarau sitzt Thomas Buchmann vor seinem Computer. Er leitet das Aargauer Amt für Wirtschaft und Arbeit und damit auch die RAV-Angestellten im Kanton. Die Stellenmeldepflicht bringe deutlich mehr Arbeit, sagt er. Mehr Unternehmen, die Stellen melden und vermutlich auch mehr Arbeitssuchende, die sich bei den RAV anmelden.
Und die RAV-Angestellten müssten sich vom reinen Berater zum Stellenvermittler weiterentwickeln: «Hier geht es darum, dass wir Arbeitgebenden Dossiers vorschlagen. Das machen wir schon heute in gewissem Umfang – aber es bekommt eine neue Dimension.»
Das heisst für Buchmann: Die bestehenden RAV-Angestellten weiterbilden und zusätzliches Personal anstellen: Sieben Leute mehr braucht er bis Juli. Und bis 2020 sollen 16 weitere folgen. Dann gilt die Meldepflicht bereits ab einer Arbeitslosenquote von fünf Prozent.
Hoffnung auf Besserung
Den RAV-Chef plagen viele offene Detailfragen. Wenn künftig Lebensläufe hauptsächlich elektronisch ausgetauscht werden, wie steht es dann um den Datenschutz? «Schon heute sind wir verpflichtet, Austausch über elektronische Medien zu verschlüsseln. Das heisst, wenn wir ein Dossier elektronisch an einen Arbeitgebenden schicken, müsste das verschlüsselt werden.» Die Fragestellung sei aber noch nicht hundertprozentig geregelt.
Das wäre eine weitere Hürde für Arbeitgeber. Denn sie müssten sich zusätzlich bei einem Onlinedienst registrieren, der verschlüsselte Dokumente entschlüsseln kann. Trotz aller Unsicherheiten und trotz grosser Veränderungen, die anstehen, sagt Buchmann: «Wenn wir das seriös betreiben, habe ich Hoffnung, dass dort wo heute häufig ausländische Arbeitnehmende in die Schweiz geholt werden, die Quote an Stellensuchenden heruntergebracht werden kann.»