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Logos von Coop und Migros
Legende: Für kleine Detaillisten wird es schwierig, wenn die Grossen dank Allianzen konkurrenzlos günstig einkaufen können. Keystone

Kratzen am Wettbewerbsrecht Wie Grossverteiler die Preise drücken

Dank Mega-Allianzen können Grossverteiler wie Coop oder Migros die Einkaufspreise senken. Sind das Kartelle?

Worum geht es? Günstig muss es sein. Nur so können die Detailhändler bei den Kunden noch punkten. Also ringen Coop oder Migros mit Herstellern um tiefere Preise. Aus diesem Grund organisieren sie sich in grösseren Verbunden, die über die Landesgrenzen hinausgehen. Je grösser die Allianz, desto eher können die Detailhändler günstige Preise bei den Herstellern erzwingen. Derzeit gibt es sechs grosse Einkaufs-Kooperationen in Europa, etwa AgeCore, EMD oder Coopernic. Einige Kartellrechtler betrachten die Machtfülle der Einkaufs-Allianzen mit Argwohn.

Wie gross sind die Allianzen? An der Spitze jeder Allianz steht immer einer der grössten Detaillisten Europas. Die anderen Mitglieder sind ebenfalls führend in ihren Ländern. Dadurch ergeben sich riesige Handelskonstrukte. Etwa die Allianz AgeCore (Edeka, Coop): Auf europäischer Ebene generierte alleine diese Organisation im 2016 rund 140 Milliarden Euro Umsatz. Die zweitplatzierte Coopernic (Rewe) immerhin noch 120 Milliarden. Viel Geld.

Erdrücken in der Schweiz die grossen dadurch die kleinen Detailhändler? Nur dank ihrer Grösse werden zum Beispiel Coop und Migros in grossen Einkaufs-Allianzen aufgenommen. Kleinere Detaillisten können bei diesen nicht mitmachen. So können die Grossen viele beliebte Markenprodukte (oder Produkte für Eigenmarken im Falle der Migros) günstiger einkaufen als die Kleinen.

Doch aus rechtlicher Sicht ist dies legal. Es handelt sich nicht um Preisabsprachen zwischen Konkurrenten in den Wirkungsländern: Coop betreibt in der Schweiz Filialen, Edeka aber nicht. Selten ist mehr als ein grösserer Konkurrent eines Landes in einer Allianz vertreten. Fazit: Schaut man auf die Detaillisten als Verkäufer, dann besteht kein Kartell.

Handelt es sich auf europäischer Ebene um Kartelle? EU-rechtlich ist die Frage noch nicht geklärt. Der Grund: Der EU-Binnenmarkt wurde bisher nicht als massgebliche Grösse angeschaut. Als entscheidende Märkte gelten die einzelnen Länder mit ihren individuellen Kartell-Gesetzen. Hinzu kommt: Bei den grenzüberschreitenden Einkaufs-Allianzen handelt es sich um ein relativ neues Phänomen.

Sind die Hersteller unter zu starkem Druck? Einheitlich lässt sich diese Frage nicht beurteilen. Die Drohgebärden der Allianz AgeCore zeigen, dass sich Nestlé die Preise nicht so einfach diktieren lässt. Ein Kartell der Einkäufer würde sich hier vermutlich erst dann nachweisen lassen, wenn mehrere Einkaufsorganisationen gemeinsam mit abgesprochenen Einkaufspreisen auf Nestlé losgehen würden.

Anders verhält es sich mit kleinen Anbietern, etwa einer Landwirtschaftskooperative oder einem unabhängigen Suppenhersteller, die gerne auf dem europäischen Markt auftreten möchten. Es ist schwer vorstellbar, dass kleinere Anbieter ihre Preisvorstellungen gegen diese Riesengebilde durchsetzen können. Noch gibt es auch hier keine neuen gesetzlichen Regeln. Deshalb ist es denkbar, dass sich in naher Zukunft europäische Gerichte mit den Einkaufs-Allianzen beschäftigen werden.

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