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Moderne Arbeitswelten Wie mit Co-Working Spaces Geld verdient wird

Firmen quartieren ganze Teams aus und schicken sie in hippe Grossraumbüros. Ein gutes Geschäft für manche Betreiber.

Wer das Westhive besucht, würde Start-up-Gründer und Freelancer erwarten. Doch im hippen Co-Working Space in Zürich trifft man auch ein Team der Amag. Angestellte des Autohändlers tüfteln hier an neuen Mobilitätsangeboten, an Möglichkeiten, in Zukunft Geld zu verdienen.

Wework – grosse Aufruhr, grosser Verlust

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Co-Working Spaces sind vor allem dank einem Unternehmen in aller Munde: Wework. Der US-Büroraum-Anbieter wollte im Oktober an die Börse, die Rede war von einem der grössten Börsengänge des Jahres.

Es kam anders: Kurz davor meldete Wework einen Verlust von 700 Millionen Dollar, Gewinne waren auf absehbare Zeit nicht in Sicht. Dann wurde bekannt, dass Gründer Adam Neumann in Saus und Braus lebt – mit Privatjet und Maybach-Limousine - und dass er Mühe haben soll, Kreditlinien zu bedienen.

Im September musste er seinen Sessel räumen. Der Börsengang wurde abgeblasen. Der grösste Aktionär, der japanische Technologiekonzern Softbank, musste Wework mit einer Milliardenspritze retten.

Vergangenen Freitag folgte eine weitere Hiobsbotschaft: Gemäss Bloomberg hat Wework in den vergangenen drei Monaten zwar den Umsatz verdoppelt, jedoch einen Verlust von 1,25 Milliarden Dollar eingefahren.

Teamleiter Philipp Wetzel ist vergangenes Jahr mit seinem gesamten Team eingezogen. Anders als am alten Ort hat er hier kein Einzelbüro. Und doch schätzt er die Umgebung, alles sei näher beisammen: «Der Austausch ist einfacher, ich bin viel näher am Team». Man treffe sich informeller, schneller zu Absprachen.

«Keine Fixkosten, die uns blockieren»

Ein weiterer Vorteil: die Flexibilität. Zu Beginn mietete das Amag-Team Arbeitsplätze für 15 Mitarbeitende, heute, eineinhalb Jahre später für über 30. «Wir können je nach Bedarf steigern, wir können aber auch wieder abbauen». Das mache das Ganze besser kalkulierbar, sagt Wetzel, «ohne Fixkosten, die uns blockieren.»

Die Amag ist eine von vielen Firmen, die in Co-Working Spaces Vorteile sieht. Baloise schickt zwar keine ganzen Teams raus, erlaubt Angestellten im Rahmen eines Pilotprojekts aber, zeitweise in Co-Working Spaces zu arbeiten, wenn es ihnen entgegen kommt - und übernimmt die Kosten. Ähnliche Möglichkeiten bieten Postfinance und die Krankenkasse KPT.

Von dieser Entwicklung profitiert Garry Gürtler. Er leitet das Schweizer Geschäft von IWG, einem der grössten Anbieter flexibler Bürolösungen weltweit - mit Hauptsitz in Zug. Für 120 Millionen Franken soll es demnächst an die Privatbanken-Gruppe Safra und Immobilieninvestor Peress verkauft werden.

Ab 370 Franken pro Monat vermietet Gürtler fertig eingerichtete Arbeitsplätze mit Internet und Drucker. 75 Prozent des Umsatzes macht er mit Firmenkunden.

Er könne ihnen genau das bieten, was sie benötigten. «Wie lange brauche ich, bis ich einen Standort habe, bis ich ihn ausgestattet habe?» Das seien alles Effizienzgewinne, die er Firmen mit einer flexiblen Bürolösung bieten könne. «Die Firmen rufen heute an, morgen ziehen sie ein, und alles ist fixfertig. Genauso, wie sie es wollen.»

Für IWG ein lukratives Geschäft

Fünf Co-Working Spaces hat IWG in der Schweiz, dazu über 40 Zentren mit möblierten Büros, die unter der Marke Regus laufen. Das Ziel: mehr als doppelt so viele Standorte.

Grosse Büros langfristig anmieten, ausstatten und kleine Flächen vermieten: Das lohnt sich für IWG. Gürtler erklärt sein Geschäftsmodell so: «Wir haben Mietkosten, Nebenkosten, Personalkosten und Abschreibungen der Investitionen, die wir an neuen Standorten machen, und wir haben ein bisschen operative Kosten». Das müsse am Schluss aufgehen, da bleibe eine Marge übrig.

Wie gross diese ist, sagt er nicht. Er bestätigt aber, dass es ein lukratives Geschäft ist. Ansonsten würde er kaum derart rasch expandieren.

Co-Working bringt zwei Welten zusammen

Noch ist das Angebot an Co-Working Spaces in der Schweiz bescheiden. 185 sind es insgesamt, Marktkennern zufolge dürfte sich die Zahl innert fünf Jahren aber verdoppeln.

Ein Treiber dahiner: Der Leerstand im Bürobereich, er beträgt laut dem Immobilienberater IAZI gut 7 Prozent. Immobilieneigner wollen langfristige Fixverträge abschliessen. Die Mieter dagegen wollen kurze Fristen, möglichst flexibel bleiben. Anbieter von Co-Working Spaces mieten grosse Büros langfristig an und vermieten kleine Flächen über kürzere Fristen weiter.

Daniel Hediger berät Immobilieneigner auf der Suche nach neuen Mieteinnahmen. Grosse Geschäftshäuser, sagt er, seien oft gebaut für Flächen ab 500 Quadratmetern – also für Firmen mit 50 Mitarbeitenden oder mehr. Nur: «86 Prozent aller Schweizer Firmen sind KMU, insbesondere im Dienstleistungsbereich. Die haben weniger als zehn Mitarbeiter, und die suchen kleine Flächen», sagt Hediger.

Im Co-Working Space erhalten sie diese kleinen Flächen. Und zwar bezugsbereit. Start-ups und KMU müssen kein Geld in die Hand nehmen für neue Böden, Tische oder Telekomverträge.

Ein Geschäft mit viel Idealismus

Auch ausserhalb der Zentren tut sich etwas, nutzen ganze Teams solche Angebote. Jenny Schäpper-Uster betreibt in Wil einen Co-Working Space, wo früher eine Wohnung war. Unter anderem hat sich hier ein grosser Detailhändler eingemietet. Vor sechs Jahren hat Jenny Schäpper-Uster begonnen, heute schreibt sie schwarze Zahlen. «Es ist ein Geschäft, und in jüngster Zeit steigt die Nachfrage stark», sagt sie.

Es gehe aber nicht ums Geld allein. Sondern darum, Gemeinschaft - in der Sprache der Co-Workers: «eine Community» - zu pflegen. Jenny Schäpper-Uster isst regelmässig zusammen mit ihren Kunden im Grossraumbüro. Dabei entstünden immer wieder Austausch und Kleingeschäfte. «Auch Empfehlungen - weil man die Leute kennt, kann man sie guten Gewissens weiterempfehlen».

Bei aller Euphorie: Gut die Hälfte aller Spaces schreibt Verluste, schätzen Marktbeobachter. Diese Anbieter stellen Gemeinschaft vor Gewinnstreben, sind dafür aber auf Stiftungen, Trägerschaften oder die öffentliche Hand angewiesen.

Viele Spaces sind schlicht zu klein, um Geld zu verdienen. «Diese bieten zu wenig Arbeitsplätze, damit sie genügend Umsatz erwirtschaften können», sagt Daniel Hediger. Er geht davon aus, dass nicht nur viele neue Spaces entstehen, sondern auch manch ein bestehender eingeht, weil die Ertragskraft fehlt.

Ein Treffpunkt, wo die Menschen lokal arbeiten können, damit sie nicht täglich pendeln müssen.
Autor: Jenny Schäpper-Uster Präsidentin Coworking Schweiz

Dem Optimismus von Jenny Schäpper-Uster, die auch den Verband Co-Working Switzerland präsidiert, kann das nichts anhaben. Erstens hätten Gemeinden durchaus ein Interesse, ein solches Angebot zu haben, «einen Treffpunkt, wo die Menschen lokal arbeiten können, damit sie nicht täglich pendeln müssen». Zudem: Mit steigender Nachfrage werde die Zahl der Betreiber, die Geld verdienen, rasch steigen.

Es gibt auch Nachteile

Das funktioniert allerdings nur dann, wenn auch ausserhalb grosser Städte mehr Firmen Büros in Co-Working Spaces verlagern. Wie die Amag in Zürich. Selbst wenn dort nicht alles besser ist, wie Teamchef Philipp Wetzel zugibt.

«Wenn ich konzentriert an einem Vertrag arbeiten muss, muss ich ihn entweder mit nach Hause nehmen oder mich in ein Sitzungszimmer zurückziehen». Klar gebe es Nachteile, die müsse man nicht verschweigen. «Aber ich fühle mich absolut happy, und ich kann da fürs ganze Team sprechen.»

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