Zum Inhalt springen

Nein zu bezahlten Polit-Tweets «Twitter holt sich viel Lob bei wenig Schaden»

Mit dem vorläufigen Verzicht des Kurznachrichtendienstes Twitter auf politische Werbung setzt das US-Unternehmen ein hehres Zeichen gegen Facebook. Allerdings mache die Konkurrenz mit diesem Geschäft ungleich mehr Geld als Twitter, relativiert SRF-Wirtschaftsredaktorin Charlotte Jacquemart.

Charlotte Jacquemart

Wirtschaftsredaktorin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Charlotte Jacquemart hat an der Universität Zürich Ökonomie studiert und arbeitet seit Juni 2017 als Wirtschaftsredaktorin bei Radio SRF. Zuvor war sie 13 Jahre lang bei der «NZZ am Sonntag» tätig.

SRF News: Wie begründet Twitter den Verzicht auf politische Werbung?

Charlotte Jacquemart: Twitter-Chef Jack Dorsey sagte in der Nacht, man müsse sich Reichweite mit guter Arbeit und Überzeugung verdienen und nicht erkaufen dürfen. Und er sagte auch, Werbung auf sozialen Netzwerken sei für kommerzielle Zwecke sehr geeignet, aber für die demokratische Infrastruktur könne sie eine Belastung darstellen.

Wie will Twitter jetzt die politische Werbung verhindern?

Die genauen Regeln hat Twitter noch nicht veröffentlicht. Das kommt erst noch. Das Verbot greift ab dem 22. November. Wichtig ist: Es geht hier nur um bezahlte Tweets für politische Inhalte, die heute in der Timeline von Nutzern platziert werden, auch wenn diese Nutzer diesen Accounts gar nicht folgen. Lügen und falsche Tatsachen etwa über politische Gegner können natürlich auch mit normalen Tweets verbreitet werden. Aber eben nur unter Nutzern, die einem selber folgen.

Laut den letzten Quartalszahlen könnte es bei Twitter besser laufen. Ist der Entscheid für Twitter aus wirtschaftlicher Sicht riskant?

Nein, das glaube ich nicht. Es stimmt zwar, das Twitter pro Aktie nur halb so viel Geld verdient wie Facebook. Und die Kampagne von US-Präsident Trump hat den Entscheid von Twitter denn auch sofort als dumm bezeichnet, da die Aktionäre damit Geld verlieren würden. Tatsache ist aber, dass Twitter mit solcher bezahlter Politwerbung heute nur gerade drei Millionen Dollar einspielt.

Lügen und falsche Tatsachen können natürlich auch mit normalen Tweets verbreitet werden.

Das viel grössere Unternehmen Facebook verdient hundertmal mehr mit bezahlter Politwerbung. Insofern kann sich Twitter mit diesem Schritt viel Lob ergattern und hat einen relativ kleinen Schaden. Und es steht noch nirgends geschrieben, dass Twitter diesen Schritt nach den Präsidentschaftswahlen 2020 wieder abändern könnte.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

Meistgelesene Artikel