Zum Inhalt springen

Neue Seidenstrasse «Macht auszubauen, entspricht nicht dem Bedürfnis Chinas»

Es ist das grösste Wirtschafts- und Infrastrukturprojekt der Geschichte: China baut die neue Seidenstrasse. Auf dem Land und auf See entstehen neue Transportewege. Kraftwerke und Pipelines werden gebaut, Entwicklungsländer mit Krediten unterstützt.

Über 60 Länder nehmen am Projekt teil, dem China den Namen «One Belt, One Road» gegeben hat – ein Gürtel, eine Strasse.

Doch das Projekt steht in der Kritik. Die Rede ist von Überschuldung einzelner Staaten, welche so in eine Abhängigkeit von China geraten. Damit einher geht der Vorwurf, China nutze das Projekt für geopolitische Machtansprüche.

Zum ersten Mal äussert sich der Botschafter der Volksrepublik China in einem ausführlichen TV-Interview.

Geng Wenbing

Chinesischer Botschafter in der Schweiz

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Geng Wenbing ist seit Februar 2016 Botschafter der Volksrepublik China in der Schweiz. Zuvor war der Diplomat im afrikanischen Benin, auch auf den Seychellen und in Syrien war er als Botschafter tätig. Im diplomatischen Dienst steht er seit 1981. Er absolvierte ein Studium in Französischer Literatur an der Pekinger Fremdsprachen-Universität.

SRF: Herr Botschafter Geng, von Seiten Chinas wird das Projekt «One Belt, One Road» als Friedens- und Entwicklungsprojekt bezeichnet. Was meint China damit?

Geng Wenbing: Der ursprüngliche Gedanke von «One belt, one road» war, die Wirtschaft in Mittel- und Westchina zu entwickeln. Das Projekt ist auch eine Reaktion auf die weltweite Finanzkrise. Wir heissen alle Länder willkommen, welche an der neuen Seidenstrasse teilnehmen möchten.

«One belt, one road» soll in Zusammenarbeit mit anderen Ländern die Wirtschaft antreiben. Das braucht eine gewisse Zeit, auch bis sich die verschiedenen Kulturen angepasst haben.

Das Projekt strebt nach Wirtschaftsentwicklung, Harmonie in der Politik und Kooperation zwischen all den Ländern. Diese Punkte sind der Hauptfokus des Projektes.

Herr Botschafter, nun gibt es Länder, die in eine Schuldenspirale geraten sind durch «One Belt, One Road», zum Beispiel Sri Lanka. Wie gehen Sie damit um?

China hat in Sri Lanka tatsächlich Kredite angeboten, damit das Land seine Wirtschaft entwickeln kann. Aber die Schulden gegenüber China machen nur 10 Prozent aller Auslandsschulden von Sri Lanka aus. Das heisst, die Schulden gegenüber China sind keine Hauptschuldenlast.

China hat viel in Sri Lanka investiert, in Bau- und Infrastrukturprojekte. Solche Vorhaben kosten viel Geld, generieren aber wenig Umsatz.

China will Entwicklungsländern helfen, denn diese Länder müssen sich weiterentwickeln. Aber die westlichen Länder tätigen keine derartigen Investments und bieten so keine Unterstützung – und wollen auch nicht, dass andere solche Länder unterstützen.

Vielfach sind es vor allem chinesische Unternehmen und chinesische Arbeiter, die für «One Belt, One Road»-Projekte im Ausland tätig sind. Betroffene Länder kritisieren, es gäbe dadurch keine lokale Wertschöpfung.

Mit den Ländern gibt es einen Vertrag. Es gibt tatsächlich immer chinesische Techniker vor Ort, aber in jedem Vertrag gibt es eine Quote für lokale Mitarbeiter. Und manche Länder wollen, dass im Vertag eine Quote von über 80 Prozent für lokale Mitarbeiter festgehalten ist. Das alles steht so im Vertrag und wird dann auch so ausgeführt.

Es steht in der chinesischen Verfassung, dass China streng gegen Hegemonial-Anspruch kämpft.

Es gibt immer mehr Länder, welche Projekte kritisch hinterfragen und sogar stoppen. Was bedeutet dies für Belt and Road?

Es kann nicht sein, dass ein Projekt von Anfang an reibungslos verläuft, es braucht immer einen Prozess, eine Art Probezeit.

Wir sind in der Anfangsphase von «One Belt, One Road», in der Entwicklungsphase. Es stimmt, dass Probleme bestehen. Aber wenn wir diese Probleme angehen, werden wir diese auch lösen.

Internationale Experten sagen klar, «One Belt, One Road» sei auch ein geostrategisches Projekt, nicht nur ein Wirtschaftliches, China wolle seine Macht ausdehnen.

Es steht in der chinesischen Verfassung, dass China streng gegen Hegemonial-Anspruch kämpft. Die eigene Macht auszubauen, entspricht weder dem reellen Bedürfnis Chinas, noch dessen langfristigen Interessen. Die «Belt and Road»-Initiative möchte den Ländern eine Plattform für die pragmatische Kooperation bieten, es gibt keine Verbindung zur Geopolitik.

Derartige Erwägungen sind Illusionen weniger westlicher Leute, die auf der veralteten Mentalität des Kalten Krieges verharren. Wenn man also sagt, es gehe bei «One Belt, One Road» um eine geopolitische Machtausweitung, dann versteht man die chinesische Tradition nicht.

Das Interview führte Reto Lipp.

Meistgelesene Artikel