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Dividenden statt Lohn - zum Nachteil der AHV
Aus Echo der Zeit vom 05.07.2017. Bild: Keystone
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Erste Säule unter Druck Patrons lieben die Dividendensteuer

Weniger Lohn ist für Unternehmer und Selbständigerwerbende oft kein Grund zum Heulen. Schmerzhaft wird es für die AHV.

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit der Unternehmenssteuerreform II (USR II) sind die Dividenden seit 2011 steuerlich begünstigt.
  • Unternehmer und Selbstständigerwerbende zahlen sich deshalb ihren Lohn vermehrt in Dividenden aus.
  • Das führt zu Ausfällen bei der AHV-Ausgleichskassen, denn auf Dividenden gibt es keine AHV-Beiträge. Die Ausgleichskassen sprechen von einer «Gefahr für die AHV».
  • Der Gewerkschaftsbund schätzt die Ausfälle für die AHV aufgrund der öffentlichen Statistiken auf jährlich 350 Millionen Franken.
  • Das Bundesamt für Sozialversicherungen will sich zu den finanziellen Folgen für die AHV nicht äussern, da keine zuverlässigen Zahlen vorlägen.

Die AHV-Rechnung gerät nicht nur immer stärker aus dem Gleichgewicht, weil zunehmend weniger Aktive für mehr Rentner zahlen müssen. Es ist auch wegen der Unternehmenssteuerreform II. Seit diese 2011 in Kraft gesetzt worden sei, gehe die AHV öfters leer aus, sagt Andreas Dummermuth, Präsident der Konferenz der AHV-Ausgleichskassen. Der Grund: Der Gesetzgeber hat Dividenden steuerlich attraktiver gemacht.

«Eine Gefahr für die AHV»

Dummermuth spricht von einer «Gefahr für die AHV». Und zwar deshalb, weil es für Unternehmer und Selbstständigerwerbende interessant geworden ist, sich mehr Dividenden und weniger Lohn auszuzahlen. Denn bei Dividenden wird im Gegensatz zu Löhnen keine AHV abgezwackt.

Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund, pflichtet Dummermuth bei: Die Firmeneigentümer nutzten die starken Steuerrabatte durch die USR II, was inzwischen der AHV schade.

BSV: Kein Kommentar zu Schätzungen

Das Bundesamt für Sozialversicherungen bestätigt schriftlich, dass die attraktive Dividendenbesteuerung zu einer Verlagerung weg vom Lohn hin zu den Dividenden führe. Damit werde das Beitragssubstrat der AHV vermindert. Ein Interview lehnt das Bundesamt ab. Die finanzielle Auswirkung der USR II auf die AHV könne nicht zuverlässig eruiert werden.

Lampart hat den Ausfall aufgrund öffentlicher Statistiken geschätzt und ist auf jährliche Ausfälle für die AHV von 350 Millionen Franken gekommen. Das sind innerhalb von sechs Jahren über zwei Milliarden Franken.

Immer mehr Einmann-Aktiengesellschaften

Ein Indiz dafür, dass Lamparts Rechnung nicht aus der Luft gegriffen ist, ist der Anteil der AHV-Beiträge von Selbstständigerwerbenden am Total der AHV-Einnahmen. Sie gehen seit einigen Jahren zurück. Auch organisieren sich Anwälte, Ärzte und Architekten immer mehr in Aktiengesellschaften und GmbHs.

Die AHV-Ausgleichskassen stellen mehr und mehr fest, dass es Firmen gibt, die als Einmann- und Einfrau-AG fungieren. In dieser «Dreifaltigkeit» als Verwaltungsratspräsident, Geschäftsleiter und Aktionär könne dann jeder selbst entscheiden, wie viel AHV-Beiträge er bezahlen will, konstatiert Dummermuth.

Vollständig auf einen Lohn zu verzichten wäre missbräuchlich. Sich einen Teil der Entschädigung jedoch als Dividende auszuzahlen, werde ab einem Einkommen von 120'000 Franken interessant, sagt Lampart.

Auf einem Auge blind

Besondere Anreize, mehr Dividenden als Lohn zu beziehen, dürfte vor allem in jenen Kantonen bestehen, in denen Dividenden am schwächsten besteuert werden. Aber so genau weiss das niemand. Denn die Steuerbehörden zeigten sich wenig kooperativ, wenn es um den Austausch von Informationen gehe, kritisiert Dummermuth: «Die Steuerverwaltungen melden den Ausgleichskassen die Dividendenzahlungen nicht. Wir sind also auf einem Auge blind.»

Untätig sind die Ausgleichskassen aber keineswegs: Orten sie ein Missverhältnis zwischen Lohnauszahlung und Dividendenbezug, schreiten sie ein. Sie qualifizieren überhöhte Dividenden als beitragspflichtigen Lohn und fordern geschuldete AHV-Beiträge ein. Das Bundesgericht hat die Ausgleichskassen bereits in mehreren Fällen gestützt.

Doppelbesteuerung als Gegenargument

Trotzdem zweifelt Mario Salvi vom Think Tank Avenir Suisse daran, dass Dividenden für Unternehmer und Selbstständigerwerbende derart interessant sind. Er verweist darauf, dass Dividenden ausgeschüttete Gewinne der Unternehmen sind, die mit der Unternehmenssteuer schon einmal besteuert wurden: «Man muss aufpassen, dass diese zwei Wege, Gewinne auszuschütten, im Lot sind. Das sind sie in der Schweiz im Moment.»

Bei der nächsten Steuervorlage ist eine Kurskorrektur angedacht. Der Bundesrat möchte Dividenden wieder stärker besteuern. Damit dürfte sich das Problem für die AHV wesentlich entschärfen, schreibt das Bundesamt für Sozialversicherungen.

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