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Produktionsstopp für 737 Max «Boeing hat sich von Anfang an verkalkuliert»

Der US-Flugzeughersteller Boeing stoppt ab Januar die Produktion des Typs 737 Max – eigentlich der Verkaufsschlager in der Boeing-Flotte. Der Hintergrund: Das Flugzeug ist wegen zweier Abstürze, bei denen Hunderte Menschen ums Leben kamen seit Mitte März weltweit mit Startverboten belegt. Jens Flottau ist spezialisiert auf die internationale Luftfahrtindustrie. Er glaubt an eine Wiederaufnahme der 737-Max-Produktion im Frühjahr.

Jens Flottau

Aviatik-Experte

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Der Deutsche Jens Flottau ist Autor und Experte im Bereich zivile Luftfahrt. Er schreibt unter anderem für die «Süddeutsche Zeitung» und das Fachmagazin «Aviation Week».

SRF News: Wenn ein Flugzeugbauer wie Boeing die Produktion der 737 Max aussetzt, wird dieser Typ dann jemals wieder gebaut?

Jens Flottau: Natürlich, das Flugzeug wird wieder gebaut werden. Boeing spricht zwar davon, dass man ab Januar die 737 erst einmal nicht mehr baut. Ich gehe aber davon aus, dass der Stopp vielleicht zwei, drei Monate anhält.

Offensichtlich hat Boeing damit gerechnet, dass die Luftfahrtaufsicht noch vor Jahreswechsel grünes Licht gibt, um die Auslieferungen wieder aufzunehmen. Nun der Produktionsstopp. Hat sich Boeing verkalkuliert?

Boeing hat sich von Anfang an in dieser Geschichte verkalkuliert. Ganz am Anfang bei der Frage, wie sicher die Max ist und wie sicher die Systeme sind.

Für die Mitarbeiter heisst das, dass womöglich Entlassungen drohen.

Später dann dabei, wie lange es dauert, bis die Max wieder zugelassen wird und wieder fliegt. Ursprünglich sollte das ja schon im Sommer passieren.

Was bedeutet dieser Entscheid nun für das Unternehmen Boeing?

Es ist kaum je vorgekommen, dass ein Unternehmen für eine voraussichtlich so lange Zeit die Produktion einstellt. Das bedeutet enorme Kosten und einen riesigen Umsatzeinbruch. Denn die 737 ist das meistverkaufte Flugzeug von Boeing, der Umsatztreiber und auch der Gewinnbringer dieses Unternehmens.

Für die Zulieferer ist das ein sehr schwerer Schlag.

Für die Mitarbeiter heisst das, dass womöglich Entlassungen drohen, wenn sich das Ganze noch länger hinzieht.

Boeing betonte, dass zunächst keine Mitarbeiter aufgrund der Produktionspause entlassen oder beurlaubt würden. Was bedeutet der Entscheid für die Zulieferer und für die US-Wirtschaft insgesamt?

Boeing ist ja der grösste Exporteur der USA. Schon in diesem Jahr hat die Entscheidung, die 737 Max zu verbieten, dazu geführt, dass die Handelsbilanz der USA stark negativ beeinflusst war. Das wird sich im nächsten Jahr fortsetzen. Für die Zulieferer ist das ein sehr schwerer Schlag. Man muss sich vorstellen: Grosse Teile der 737 Max werden von Zulieferern gefertigt, zum Beispiel die Triebwerke und der Rumpf. Sie müssen jetzt mit den Konsequenzen leben. Sie müssen darauf hoffen, dass ihre Verträge mit Boeing Entschädigungen zulassen – aber das ist keinesfalls sicher.

Das Gespräch führte Noëmi Ackermann.

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