Zuerst die Äpfel, die Bananen und der Salat: In den meisten Lebensmittelabteilungen beginnt die Einkaufstour beim Obst- und Gemüsestand. Dass dieser direkt beim Eingang steht, ist kein Zufall. Die Frische und die Farben sollen eine entspannte Atmosphäre schaffen. «Zudem zählt auch in einem Laden der erste Eindruck», sagt Thomas Rudolph, Marketing-Experte an der Universität St. Gallen.
Stimmt der erste Eindruck, verweilen Kunden etwas länger im Laden. Die Obst- und Gemüsestände im Eingangsbereich haben aber auch noch eine weitere Funktion: Sie sollen sogenannte «Rennkundschaft» bremsen. Gestresste Konsumentinnen und Konsumenten sollen nicht durch den Laden hetzen, sondern einen Spaziergang durch die Ladengänge machen.
Kunden haben einen Rechtsdrall
Konsumentinnen und Konsumenten bevorzugen dabei eine Laufrichtung gegen den Uhrzeigersinn. Zudem beachten die meisten Kunden Artikel, die rechts liegen, häufiger. Dem Rechtsdrall kommen Detailhändler entgegen, indem sie rechts attraktive Artikel positionieren und zugleich versuchen, linker Hand interessante Angebote zu machen – etwa in Form von Ständen mit frischen Waren. Nicht selten kommen dann auch Duftnoten – etwa von frischem Brot – von dieser Seite.
Frische Produkte werden bewusst diskret verpackt. Man soll sie sehen und soll sich von der Frische überzeugen können. Zudem soll das Zulangen einfach sein. Aufwändig Türchen oder Riegel wären hinderlich – darum werden frische Produkte so offen wie möglich und unkompliziert präsentiert.
Die meisten Läden setzen auch auf sogenanntes «Cross Selling»: Produkte, die thematisch zueinander passen, werden am gleichen Ort im Laden verkauft; etwa Chips und Getränke, Schinken und Melonen, Fisch und passende Saucen.
Teurere Produkte sollen gefunden werden
In den Regalen selbst sorgt Vielfalt für eine gute Stimmung. Und meistens befinden sich bekannte und eher teurere Produkte auf Augenhöhe der Konsumenten. Die Kaufwilligen sollen nicht lange suchen müssen. «In Läden wie diesem werden mit 20 Prozent der Produkte 80 Prozent des Umsatzes erzielt», sagt Thomas Rudolf, der für die Sendung «Trend» von Radio SRF die Gestaltung der Foodabteilung von Manor analysiert hat.
Dass der Konsument den Weg zu den relevanten, sprich margenstarken Produkten findet, ist also zentral.
So bringt man den Kunden zum Wein
Studierende der Universität St. Gallen machen zurzeit im Manor St. Gallen Versuche zu den sogenannten Kundenfrequenzen. Kunden sollen ab der Eingangspforte zur Weinabteilung gelotst werden. Dies mit Hilfe eines Fussgängerpfades, der ihnen den Weg aufzeigt. Gelangen sie zur Abteilung, dann sollen sie dort länger verweilen und letztlich einkaufen. Der Wein wird darum attraktiv auf sogenannten Produkte-Inseln ausgestellt. Die Verpackungen – meist aus leichtem Holz – suggerieren Besonderheit und Kompetenz.
Die Studierenden werten die Umsätze regelmässig aus. Zudem setzen sie Wärmebildkameras ein, um die Kundenfrequenzen zu analysieren.
Personen werden zwar nicht gefilmt. Dennoch stellt sich die Frage nach den Grenzen des Marketings. Was dürfen Detailhändler tun? Wo beginnt die Manipulation? Eine Gratwanderung, sagen Marketingexperten selbst. Konsumenten seien oftmals selbst kritisch und spürten, wo Grenzen überschritten werden. «Künstliche Duftstoffe in Läden beispielsweise kommen nicht an», so Thomas Rudolf. Frischer Brotduft aus dem Ofen ohne frisches Brot im Laden verärgert die Kunden also – der Effekt des Mehrverkaufs verkehrt sich ins Gegenteil.
Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung Konsumentenschutz, sagt, dass Marketingpraktiken nicht unlauter sein dürften. Aktionen müssten zum Beispiel an der Kasse auch abgerechnet werden. Grenzwertig findet Stalder auch zu schrille Plakate, die günstige Preise suggerierten, aber nur nüchterne Informationen enthielten.
Bei Werbung macht die Vernunft Pause
Für Hirnforscher Lutz Jäncke von der Universität Zürich sind die Verkaufspraktiken in Läden kongruent mit unserem üblichen Verhalten. «Für sich selbst zu werben ist ein Grundelement des menschlichen Daseins», sagt er.
Wir sind selten rational.
Als soziale Wesen müssten wir lernen, unsere Wünsche anderen Gruppenmitgliedern kenntlich zu machen. Detailhändler tun genau dies. Und Konsumentinnen und Konsumenten reagieren darauf, meist impulsiv und ohne Vernunft.
«Wir sind selten rational», sagt Lutz Jäncke. Die meisten Prozesse seien unbewusst. Das sei aber nicht gleichzusetzen mit zufällig. «Das Unbewusste ist kein Zufallsapparat», sagt er. Unbewusste Entscheidungsprozesse beinhalten zuvor implementierte Informationen, etwa Wissen und Erfahrungen. Steht man als Konsumentin im Laden, reagiert man auf Reize also unbewusst, aber nicht zufällig.
Kann man sich den Reizen entziehen? Nur mit viel Konzentration, wie Jäncke sagt. Studien zeigen denn auch: Die meisten Konsumentinnen und Konsumenten kaufen mehr ein als sie sich eigentlich vorgenommen haben. Vom schlechten Gewissen rät Jäncke aber ab. Er findet es unnötig. Denn: Kaufen sei auch Geniessen – innerhalb des möglichen Rahmens zumindest.