Hierzulande mangelt es nicht an Erfindungskraft. Seit mehreren Jahren belegt die Schweiz den Spitzenplatz in der Rangliste der innovativsten Länder, dem Global Innovation Index. Dass dies auch vielen Erfinderinnen zu verdanken ist, zeigt ein Blick auf die Schweizer Start-up-Szene, die sich am Mittwochabend in Zürich zu einer Preisverleihung traf.
Noch nie so viele Frauen
Der Unternehmensförderer Venturelab kürte die vielversprechendsten Jungunternehmen. Und diese werden immer weiblicher. Bei sechs der zehn bestplatzierten Start-ups sind Frauen mit dabei. Noch klarer wird dies bei den Bestplatzierten: Bei allen drei Firmen auf dem Podest sind Frauen im Gründungsteam. Noch nie standen so viele nominierte Frauen auf der Bühne wie gestern Abend.
Zu den Favoriten an der Preisverleihung gehörte auch die Unternehmerin Dorina Thiess, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Tiermedizin zu digitalisieren. Schliesslich ergatterte sie sich mit ihrer Firma Piavita den sechsten Rang.
Start-ups scheinen ein freundlicheres Umfeld für Frauen zu bieten als traditionelle Konzerne. Thiess jedenfalls glaubt, dass sich die flacheren Hierarchien in solchen Unternehmen positiv auswirken: «Wir sind nicht so sehr davon abhängig, uns erst einmal durch ein paar Hierarchiestufen durchzukämpfen.» So sei die Wahrscheinlichkeit geringer, jemandem gegenüber zu stehen, der doch Vorbehalte gegenüber Frauen in Führungspositionen hat.
Start-ups werden weiblicher
Piavita stellt Messgeräte für Pferde her, die mit Hilfe eines Gürtels um das Tier geschnallt werden und im Stande sind, den Puls oder die Körpertemperatur zu messen. Den Tierärzten, welche noch häufig mit Stethoskop und Klemmbrett arbeiten, erlaubt dies, die Tiere über eine App aus der Ferne zu überwachen.
Bislang ist Piavita im deutschen Sprachraum tätig. Bald soll die Expansion in die USA erfolgen. Dazu hat das Medtech-Unternehmen Anfang Jahr fünf Millionen Schweizer Franken gesammelt.
Bei manchen Kapitalgebern scheinen Vorurteile in Sachen Geschlecht noch nicht ganz aus dem Weg geräumt zu sein, wie Thiess sagt: «Wir hatten am Anfang schon ein paar Momente mit Business Angels, älteren Herrschaften aus einer anderen Generation.» Grundsätzlich aber sei es kein Problem: «Ich muss auch sagen, dass ich ganz gegenteilige Erfahrungen gemacht habe. Wir können für uns behaupten, dass unsere Investoren, der Verwaltungsrat und alle, die uns bisher unterstützt haben, enorm offen waren.»
Schweizer Start-ups werden zwar weiblicher, doch bei der Führung besteht ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. In lediglich 28 der besten 100 Jungfirmen sind Frauen an der Führungsspitze vertreten. Als Unternehmerin ist Dorina Thiess also noch immer in der Unterzahl. Immerhin ist diese Zahl deutlich höher als bei etablierten Firmen. Von diesen beschäftigen nur gerade 23 Prozent Frauen im Topmanagement.
Erfolg mit Signalwirkung
Experte rund um das Thema Frauen und Wirtschaft ist der Headhunter Guido Schilling, der auch Zahlen dazu erhebt. Der Frauenanteil in hiesigen Start-ups verbessere sich zwar, doch im Vergleich stehe die Schweiz schlecht da: «Im europäischen Ausland gibt es eine viel grössere Tradition von Frauen im Management.»
Die Schweiz hat also noch viel Nachholbedarf. Laut Schilling haben die Unternehmerinnen, die am Mittwoch auf dem Podest standen, ein Zeichen gesetzt: «Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Erfolg, den die drei Gründerinnen jetzt haben, kein Einzelfall ist, sondern dass es eine Signalwirkung auf etablierte Unternehmen gibt.»