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Sinkende Einnahmen der Post Wenn der Briefträger nicht mehr täglich kommt

Die Post könnte die tägliche Briefzustellung streichen, meint Avenir Suisse. Finanzprobleme könnten sie dazu zwingen.

Sinkende Briefmengen, tiefere Zinserträge bei Postfinance: Wenn sich nichts ändere, könne die Post die Grundversorgung mittelfristig nicht mehr selbst finanzieren, warnte kürzlich der Finanzchef der Post. Und trotzdem leistet sich die Schweiz weiterhin eine grosszügige Grundversorgung.

Der Umsatz ist seit 2009 um 10 Prozent gesunken. Das Betriebsergebnis brach um fast einen Drittel ein.

Und es geht weiter so: Im ersten Halbjahr ist der Umsatz im Vergleich zur Vorjahresperiode um 64 Millionen zurückgegangen – minus 1.7 Prozent. Das Betriebsergebnis sank um 19 Mio. auf 269 Millionen Franken – minus 6.6 Prozent.

«Luxusversorgung»

Angesichts dieser Entwicklung kritisiert Samuel Rutz von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse, dass sich die Schweiz weiterhin eine üppige Grundversorgung leiste: «Es ist fast eher eine Luxusversorgung – wenn man pointiert sein will – als eine Grundversorgung, was in der Schweiz heute noch angeboten wird. Und das ist zwar gut, aber es beinhaltet viele Sachen, die in einer digitalen Zeit nicht mehr so wahnsinnig wichtig sind.»

Etwa, dass Briefträger trotz stark rückgängiger Briefmengen noch tägliche Zustellungen machten.

Samuel Rutz

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Legende: Avenir Suisse

Der promovierte Ökonom ist Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung der Denkfabrik Avenir Suisse. Im Juli 2019 erschien seine Studie «Wieviel Post braucht es noch im digitalen Zeitalter?» Samuel Rutz beschäftigt sich vor allem mit Privatisierung, Wettbewerbs- und Regulierungsfragen.

Postmail: Immer weniger Briefe

Das Problem der Briefpost: Mit dem Restmonopol auf Briefe bis 50 Gramm muss sie entscheidend zur Finanzierung der Grundversorgung beisteuern. Doch je stärker die Briefmenge zurückgeht, desto schwieriger wird das.

Trotzdem erwirtschaftete Postmail in den vergangenen Jahren steigende Betriebsergebnisse – vor allem dank Kosteneinsparungen. Im ersten Halbjahr 2019 allerdings sank das Betriebsergebnis um 2.5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Postfinance: Gewinn wird schwieriger

Auch beim Zahlungsverkehr hat die Post einen Grundversorgungsauftrag. Samuel Rutz: «Ein völliges Unikum, das es nirgendwo auf der Welt gibt. Wir könnten unsere Rechnungen auch weiterhin zahlen und Bargeld beziehen, wenn es den Auftrag nicht mehr gäbe, wenn man da ein bisschen entschlacken würde.»

Die Postfinance lieferte in den vergangenen Jahren den finanziell bedeutendsten Anteil am Betriebsergebnis der Post – fast immer deutlich mehr als die Hälfte.

Zahlungsverkehr in der Grundversorgung: Ein völliges Unikum, das es nirgendwo auf der Welt gibt.
Autor: Samuel Rutz Ökonom Avenir Suisse

Im ersten Halbjahr steigerte Postfinance das Betriebsergebnis leicht um 0.7 Prozent auf 146 Millionen Franken.

Mit dem ihr auferlegten Hypothekar- und Kreditverbot sowie Negativzinsen wird es für Postfinance zusehends schwieriger, Gewinn zu schreiben.

Eine Teilprivatisierung, wie der Bund sie vorgeschlagen hat, verbunden mit einer Aufhebung des Hypothekar- und Kreditverbots, geht Samuel Rutz zu wenig weit: «Damit hätte man mehr oder weniger einfach eine 25. Staatsbank geschaffen – wir haben ja schon 24 Kantonalbanken.»

Wenn man das Problem wirklich lösen wolle, müsse man vorwärts oder rückwärts gehen: «Vorwärts würde bedeuten, dass man Postfinance vollständig privatisiert. Dann hätte man eine vollwertige Bank, die im Markt überleben muss.»

Postlogistics: Sinkende Margen

Bei Postlogistics, dem Geschäft mit Paketen, steigen die Umsätze, doch die Margen sinken. Im ersten Halbjahr 2019 sank das Betriebsergebnis um 6.8 Prozent.

Samuel Rutz: «Man kann nicht erwarten, dass man dort das Big Business macht, dort wird sich die Post nicht gesundsanieren können.»

Man kann nicht erwarten, dass man dort das Big Business macht.
Autor: Samuel Rutz Avenir Suisse

Konkurrenten hat die Post im Bereich der Paketzustellung viele – und sie sind nicht zufrieden.

Patrick Kessler vom Verband der Versandhändler kritisiert, dass die Post es zulässt, dass beispielsweise Schweizer Händler bis zu dreimal mehr für ein gleich grosses Paket zahlen müssen als Händler aus China: «Die Post könnte für uns Händler einen Tarif einführen, der in die Nähe der Pakettarife oder Brieftarife der Händler aus China käme. Somit hätten wir gleich lange Spiesse wie ausländische Händler.» Bisher gehe die Post nicht darauf ein.

Die Post könnte für uns Händler einen Tarif einführen, der in die Nähe der Paket- oder Brieftarife der Händler aus China käme.
Autor: Patrick Kessler Verband des Schweizerischen Versandhandels

Und auch der Zugang zu ihrer Infrastruktur sei kein Thema. Laut Patrick Kessler wäre es sinnvoller, wenn die Post mit anderen Zustellorganisationen kooperieren und ihre Strukturen öffnen würde: «Damit nicht zusätzliche Strukturen gebaut werden müssen – nur weil die Post den Zugang nicht gewähren will.» Falls der Preis stimme, so aber Postchef Roberto Cirillo, sei das nicht ausgeschlossen (siehe Interview).

Zugang zu China für KMU

Das Geschäft mit Paketen will die Post nicht nur in der Schweiz betreiben, sondern auch im Ausland. Auf einer Messe in China zeigte Postlogistics letztes Jahr, wie sie Schweizer KMU mit einem «Alles-aus-einer-Hand»-Angebot den Zugang zu chinesischen Marktplätzen wie Tmall Global (ein Online-Shop von Alibaba) und WeChat (eine Social-Media-App) erleichtern will.

In den Augen von Samuel Rutz ist das gefährliches Verhalten von Staatsbetrieben: «Wenn die klassischen, die herkömmlichen Märkte nicht mehr genug hergeben, weil die Produkte und die Leistungen nicht mehr nachgefragt werden, dann fangen die Betriebe an zu expandieren. Und oftmals gehen sie in Konkurrenz zu privaten Unternehmen in die Märkte rein.»

Aus ordnungspolitischer Sicht sei es fraglich, ob ein Staatsbetrieb das machen solle oder ob er sich nicht besser auf das konzentrieren solle, wofür er den Auftrag bekommen habe – nämlich Postdienstleistungen bereitstellen. Zudem sei es ein finanzielles Risiko.

Debatte über Grundversorgung

Samuel Rutz würde sich eine grundsätzliche Debatte wünschen, in der man diskutieren würde, was in einer digitalen Welt zur Grundversorgung gehöre und was nicht.

«Ich würde mir wünschen, dass wir als erstes mal eine Debatte hätten über die Grundversorgung, wo man sich fragt, was gehört in die Grundversorgung rein in einer digitalen Welt und was nicht.»

Ausserdem wünscht er: «...dass man das Finanzierungsmodell nachhaltig lösen würde und weg käme von der Eigenwirtschaftlichkeit, die nicht funktionieren wird.»

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