Zum Inhalt springen

Studie von Travailsuisse So flexibel ist die Arbeitswelt wirklich

Viele Unternehmen werben mit flexiblen Arbeitszeitmodellen. Doch immer weniger Angestellte können ihre Arbeitszeiten mitbestimmen.

Für das «Barometer gute Arbeit» befragte Travailsuisse 1500 Arbeitnehmende aus den unterschiedlichsten Branchen. Dabei zeigte sich: In den letzten vier Jahren hat sich der Anteil jener, die keinerlei Einfluss auf ihre Arbeitszeiten haben, erhöht. Mittlerweile ist das bei fast jedem fünften der Fall.

In der Realität heisst das, dass kurzfristiger bestimmt wird, wann und wie lange man arbeiten muss.
Autor: Gabriel Fischer Travailsuisse

Gleichzeitig hat der Anteil der Personen mit sehr viel Einfluss auf ihre Arbeitszeiten auf etwa einen Viertel abgenommen. Die Mehrheit der Befragten kennt zudem keine gleitenden Arbeitszeiten.

Gabriel Fischer von Travailsuisse zieht daraus den Schluss: Bisher können demnach längst nicht alle Angestellten von mehr Freiheit profitieren: «Man spricht zwar von flexiblen Arbeitszeiten. In der Realität heisst das aber, dass kurzfristiger bestimmt wird, wann und wie lange man arbeiten muss; allenfalls Überstunden zu leisten sind, weil ein wichtiger Auftrag erfüllt werden muss.»

Deckmantel für Kostenoptimierung?

Es sei eine einseitige Flexibilisierung, sagt Fischer. Die Unternehmen würden teils unter dem Deckmantel «Flexibilisierung» ganz einfach nur Kostenoptimierung betreiben. Der Arbeitgeberverband widerspricht.

Arbeitgeber und -nehmer sässen im gleichen Boot. Die Unternehmen hätten ein offensichtliches Interesse, mittels Autonomie die schädliche Wirkung von Arbeitsbelastungen zu reduzieren und damit Erschöpfung und Burnouts zu verhindern.

Die Bedingungen im Betrieb, damit man überhaupt Teilzeit oder flexibel arbeiten kann, müssen gegeben sein.
Autor: Simon Wey Arbeitgeberverband

Allerdings sei eine solche Flexibilisierung nicht in allen Firmen möglich, gibt Simon Wey vom Arbeitgeberverband zu, sondern nur bei einem bestimmten Teil der Arbeitnehmerschaft: «Es gibt viele Berufe, in denen das von den Tätigkeiten, den Arbeitszeiten und der Branche her einfach nicht möglich ist. Von daher müssen die Bedingungen im Betrieb gegeben sein, damit man überhaupt Teilzeit oder eben flexibel arbeiten kann.»

Fluch und Segen für die Gesundheit

Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten ist auch auf dem politischen Parkett ein Thema. Mit zwei parlamentarischen Vorstössen sind Bestrebungen für eine weitreichende Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen im Gange.

Gewerkschaften monieren, eine Lockerung der Arbeitsbestimmungen sei per se krankmachend. Sie drohen deshalb mit einer Volksabstimmung, sollte die Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes im Parlament durchkommen.

Es geht darum, dass ich mit dem Arbeitgeber im Dialog stehen und meine Bedürfnisse einbringen kann und diese gehört werden.
Autor: Georg Bauer Präventivmediziner, Universität Zürich

Präventivmediziner Georg Bauer von der Universität Zürich sagt, dass Arbeitnehmer mit viel Freiheiten bis zu einem gewissen Grad vor Erschöpfung durch zu lange und intensive Arbeit geschützt seien. Er warnt aber auch vor Risiken wie etwa längeren Arbeitszeiten oder zu kurze Ruhepausen.

Eine Frage der Unternehmenskultur

Deshalb sei es umso wichtiger, dass die Flexibilisierung ein Wechselspiel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sei, so Bauer: «Es geht darum, dass man gute Aushandlungsprozesse hat, dass ich mit dem Arbeitgeber im Dialog stehen und meine Bedürfnisse einbringen kann und diese gehört werden.»

Das alles erfordere eine Unternehmenskultur, die eine gewisse Mitarbeiterorientierung hat, so der Arzt. Die Freiheit, die schützt und motiviert, haben jene, die sich den Arbeitstag und die Woche selbst einteilen können. Doch dazu müssen die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz stimmen.

Meistgelesene Artikel