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Stundung für ärmste Länder G20-Finanzminister: Schuldenmoratorium vor der Verlängerung

Eine kurzfristige Entlastung für die ärmsten Länder der Welt ist in greifbarer Nähe. Doch langfristig ist die Schuldenfrage ungelöst.

Viele der ärmsten Länder der Welt stehen am Rande der Pleite. Deren Schulden lagen bereits vor Ausbruch der Coronakrise bei insgesamt 744 Milliarden Dollar, wie eine Studie der Weltbank zeigt. Wegen der Krise kamen mehr Kredite und damit noch mehr Schulden dazu – Schulden, die diese Länder nun erst recht nicht mehr zurückzahlen können.

Angesichts dieser Notlage hatten die 20 einflussreichsten Staaten der Welt im Frühling entschieden, dass die ärmsten Länder bis Ende Jahr keine Schulden zurückzahlen müssen. Bislang haben 43 von ihnen ihre Zinszahlungen bei öffentlichen bilateralen Geldgebern sistiert. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden die G20-Finanzminister heute beschliessen, das Schuldenmoratorium um sechs Monate zu verlängern.

Das löse das Grundproblem aber nicht, sagt Weltbank-Chef David Malpass. Die Länder müssten die Schulden eben im nächsten Jahr zurückzahlen, plus Zinsen. Das Geld fehle dann beim wirtschaftliche Wiederaufbau. Daher fordert er Gläubiger auf, zumindest einen Teil dieser Kredite abzuschreiben.

David Malpass
Legende: David Malpass, Präsident der Weltbank. Keystone

Doch schon beim kurzfristigen Moratorium deutet sich an, wie schwierig die Verhandlungen über langfristige Lösungen des Schuldenproblems werden könnten. Zwar haben alle G20-Länder versprochen, mitzumachen. Und auch der Privatinvestorenverband IIF bestätigt auf Anfrage, man unterstütze das G20-Anliegen grundsätzlich.

Privatkredite mit hohen Schuldzinsen

Bislang bleibt das aber ein Lippenbekenntnis. Dazu sagt Finanzexperte Bodo Ellmers vom Global Policy Forum, einer NGO, die UNO-Organisationen wie Weltbank und IWF kritisch beobachtet: «Das ist ein extrem grosses Problem.» Denn gerade die privaten Kredite seien die teuersten der Entwicklungsländer. «Anleihen im Frontier Market können mit bis zu zehn Prozent verzinst sein.»

Tobin-Steuer als mögliche Lösung?

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James Tobin
Legende: Keystone

Ein Mittel zur Entschuldung der ärmsten Länder wäre die sogenannte Tobin Tax, die Erhebung einer minimalen Steuer auf internationale Devisengeschäfte. Sie ist benannt nach dem US-Ökonomen James Tobin, wurde aber nie eingeführt. Deren Ertrag könnte man in den Kampf gegen Ungleichheit und Armut stecken. Das würde die Lage der ärmsten, oft hoch verschuldeten und jetzt auch noch durch die Coronakrise geplagten Länder erleichtern. Aktuell wird die Tobin-Steuer allerdings überhaupt nicht diskutiert – schon gar nicht im Rahmen des aktuellen G20-Finanzministertreffens.

Nicht-staatliche Kredite, etwa von Banken, machen mehr als 60 Prozent der Kredite aus. Ein anderes Problem ist China. Der mit Abstand grösste Kreditgeber in Entwicklungs- und Schwellenländern hat als G20-Mitglied zwar das Moratorium unterzeichnet. Aber ein grosser Teil von Chinas Krediten wird von halbstaatlichen Banken vergeben, die sich nicht an die Zusage gebunden fühlen. Sie bestehen daher auch jetzt auf Rückzahlung der Kredite.

Weltbank in schwieriger Situation

Das bringt die Weltbank in eine schwierige Situation, wenn sie Notfallkredite an arme Länder vergibt. Denn oft fliesse das Geld direkt weiter nach China und zu privaten Kreditgebern, klagt Malpass. Die Weltbank und andere multilaterale Kreditgeber finanzieren so den Schuldendienst armer Länder.

Wenn die Verhandlungen um das Schuldenmoratorium schon extrem schwierig sind, dürfte es noch viel herausfordernder werden, Schuldenerleichterungen oder sogar Schuldenerlasse zu verhandeln.

Zumindest für einige Länder gebe es dazu aber keine Alternative, sagt Audile Renauld-Basso, die Chefin des Pariser Clubs, in dem grosse staatliche Gläubiger versammelt sind. Auch China als wichtiger Gläubiger müsste sich daran beteiligen, fordert sie. Genauso wie private Gläubiger, etwa Banken. Bislang scheint diese Bereitschaft aber nicht sehr gross zu sein.

Und zwingen kann man die Gläubiger nicht. Auf viele arme Länder kommen also harte Zeiten zu. Nach Schätzungen der Weltbank könnten bis Ende nächsten Jahren bis zu 150 Millionen Menschen zusätzlich in die extreme Armut abrutschen. Sie sind es, die den Preis zahlen.

Rendez-vous, 14.10.2020, 12:30 Uhr

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