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Swiss Re-Präsident Walter Kielholz: 9/11 prägte ihn stärker als die Finanzkrise

Walter Kielholz prägte den Finanzplatz jahrzehntelang. Nun tritt er ab und verteidigt sein Handeln bei CS und Swiss Re.

Die Karriere des 70-jährigen Strippenziehers war geprägt von Krisen: Da waren die Terroranschläge 2001, die Finanzkrise 2008, und jetzt die Corona-Pandemie. Rückblickend sagt er in der Samstagsrundschau von Radio SRF: «Emotional der schwierigste Moment waren die Terroranschläge vom 11. September. Mit Abstand!» Die hätten ihn fast aus der Bahn geworfen: «Ich konnte wochenlang diese Bilder am Fernsehen nicht anschauen, ich brachte es einfach nicht übers Gemüt.»

Emotional der schwierigste Moment waren die Terroranschläge vom 11. September. Mit Abstand!

Finanzmärkte unterschätzt

Anders die Finanzkrise: Die war einschneidend, aber viel abstrakter. Damals sass Kielholz sowohl bei der CS als auch bei der Swiss Re federführend im Verwaltungsrat. Beide Konzerne hatten sich an den Finanzmärkten verspekuliert und Milliardenverluste verbucht.

Wir dachten damals noch, dass die Märkte immer liquide sind, dass es also immer für alles einen Preis gibt.

Kielholz räumt heute ein, die Finanzmärkte unterschätzt zu haben: «Wir dachten damals noch, dass die Märkte immer liquide sind, dass es also immer für alles einen Preis gibt.» Doch dem war nicht so: US-Ramschpapiere wollte plötzlich niemand mehr haben.

Den «Bölimann» bei der CS suchen

Dass damals beide Konzerne – CS und Swiss Re – sich verzockt hatten, hat viel mit der Strategie von Walter Kielholz zu tun, die er damals mitgeprägt hatte. Und noch heute setzt die CS stark auf teils riskante Geschäfte, im Investment Banking und im Asset Management. In diesen Sparten verstrickt sie sich immer wieder in teure Finanzskandale, so auch aktuell wieder.

Walter B. Kielholz.
Legende: Ein Vierteljahrhundert lang hat Walter Kielholz sowohl die Grossbank Credit Suisse (CS) als auch den Rückversicherungskonzern Swiss Re geprägt. Er sass jahrelang in den Verwaltungsräten, lang gar als Präsident. Keystone/Archiv

Setzt die CS also seit den Weichenstellungen von Kielholz zu stark auf die Amerikanisierung des Geschäfts? Der Stadtzürcher winkt ab: «Ich würde nicht versuchen, den ‹Bölimann› einfach der Amerikanisierung des Geschäfts zuzuschieben. Das greift zu kurz.» Noch heute scheint der Manager aus dem Zürcher Freisinn fasziniert vom amerikanischen Banking.

Zwiespältiger Umgang mit Regulierung

Als es nach der Finanzkrise darum ging, den Finanzplatz strenger zu regulieren, wehrte sich Kielholz intensiv dagegen, etwa gegen das Aufstocken des Eigenkapitals. Heute ist er froh um diese dicken Sicherheitspolster bei Banken und (Rück-)Versicherungen.

Dennoch würde er wieder gegen solche Regulierungsvorhaben ankämpfen, sagt er: «Ja, natürlich! Ich habe noch nie einen Regulierten gesehen, der applaudiert, wenn die Vorschriften verschärft werden!»

Heute ist keine der europäischen Grossbanken mehr unter den Top 15.

Laut Kielholz läuteten die Finanzkrise und die anschliessende Regulierung eine Wende im globalen Finanzplatz ein: «Heute ist es so, dass von den europäischen Grossbanken keine mehr unter den Top 15 ist. Dort sind nur noch Chinesen, Japaner und Amerikaner. Ob das ideal ist, wage ich zu bezweifeln, zumal die EU ja die Ambition hat, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Welt zu sein.»

Dass die UBS in der Vermögensverwaltung noch immer weltweit an der Spitze ist, reicht ihm nicht. Seine Kritik bezieht sich auf börsennahe Grossdeals mit professionellen Anlegern im Investment Banking und Asset Management.

Manches ist besser – anderes nicht

Als Genugtuung für den abtretenden Swiss-Re-Präsidenten bleibt, dass in seiner Ära die Schweizer Versicherungen international an Bedeutung gewonnen haben: «Dies allerdings fernab des öffentlichen Interesses, weil Versicherungen schon die Spitze der Langeweile sind für die meisten Leute», scherzt Kielholz nicht ohne Stolz.

Samstagsrundschau, 03.04.2021, 12:00 Uhr

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