Jahrzehntelang subventionierten die Länder des reichen Nordens die Ausfuhr ihrer Agrarprodukte. Die Subventionen waren so hoch, dass selbst landwirtschaftliche Produkte aus Drittweltländern kein Brot hatten gegen die stark verbilligten Waren aus dem Norden. Im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO verpflichtete sich schliesslich auch die Schweiz als eines der letzten Länder, auf Exportsubventionen zu verzichten.
Doch: Fallen die Exportsubventionen für Schweizer Milch und Getreide weg, die beispielsweise in Form von Schokolade exportiert werden, so würden die Preise dafür stark steigen – der Verkauf im Ausland ginge wohl zurück.
Keine Direktzahlungen – aber Zahlungen
Deshalb hat der Ständerat ein Subventionssystem verabschiedet, das WTO-konform sein soll. Künftig erhalten nicht mehr die Verarbeiter von Milch und Getreide, also etwa Nestlé, Kambly oder Lindt & Sprüngli die Exportsubventionen direkt, sondern die Bauern – unabhängig davon, ob ihre Milch oder ihr Getreide für Exportprodukte verwendet werden. Sie behalten dieses Geld aber nicht, sondern überweisen es an einen Fonds. Der leitet das Geld dann wieder an die Nahrungsmittelunternehmen.
Eine Umgehung wäre es dann, wenn staatliche Massnahmen bei der Lenkung der Mittel in den Export involviert wären.
Das wirkt wie ein Umgehungskonstrukt. Christian Etter vom Staatssekretariat für Wirtschaft Seco verneint: «Eine Umgehung wäre es dann, wenn staatliche Massnahmen bei der Lenkung der Mittel in den Export involviert wären. Bei dieser Vorlage ist das ausdrücklich nicht der Fall, weshalb sie WTO-konform ist.»
In der Branche wird nun so getan, als ob die Milch- und Getreidebauern selber auf die Idee gekommen sind, diesen Fond zu gründen, um das Geld dann an die Nahrungsmittelverarbeiter weiterzureichen.
Abwanderung droht
Dabei pfeifen es die Spatzen von den Dächern – nicht die Milch- und Getreidebauern sind auf die Idee mit dem Fond gekommen, das neue Konstrukt haben die WTO-Spezialisten des Seco entwickelt.
Der Ruf der Schweiz besteht wesentlich darin, dass wir zuverlässig sind und uns an die Verträge halten. Das ist insbesondere für das Investitionsklima in diesem Land sehr wichtig
Erhielten die Nahrungsmittelunternehmen nämlich kein Geld mehr für die Verarbeitung von Schweizer Milch und Getreide, bestünde die Gefahr, dass sie auf günstigere Rohstoffe aus dem Ausland auswichen.
Thomas Cottier, emeritierter Professor für Wirtschaftsvölkerrecht und WTO-Spezialist, hat aus diesem Grund ein gewisses Verständnis für das «Umgehungsgeschäft», wie auch er es nennt. Aber er befürchtet negative Folgen für die Schweiz: «Der Ruf der Schweiz besteht wesentlich darin, dass wir zuverlässig sind und uns an die Verträge halten. Das ist insbesondere für das Investitionsklima in diesem Land sehr wichtig.»
Die meisten subventionierten Nahrungsmittel aus der Schweiz, also Schokolade und Biskuits, gehen zudem in die EU. Es könnte durchaus sein, dass Brüssel Auskunft verlangt über diese seltsame Neuetikettierung der Subventionen. Oder die WTO moniert bei ihrem jährlichen Länderexamen die neue Schweizer Praxis.