Zum Inhalt springen
Ernst Stocker
Legende: Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker will mit der zinsbereinigten Gewinnsteuer ausländische Unternehmen halten. Keystone

Umstrittene Gewinnsteuer Das Buhlen um ausländische Unternehmen geht weiter

Zürich will Unternehmen den Abzug fiktiver Schuldzinsen ermöglichen – und hat die Unterstützung der anderen Kantone.

Sie ist höchstumstritten und ein Grund, weshalb die Unternehmenssteuerreform, die USR III, scheiterte: Die «zinsbereinigte Gewinnsteuer». In der aktuellen Vorlage, der «Steuervorlage 17» steht sie deshalb nicht mehr drin.

Der Kanton Zürich möchte die «zinsbereinigte Gewinnsteuer» jedoch unbedingt. Von der Steuer profitieren vor allem spezielle Tochterfirmen ausländischer Konzerne mit reiner Finanzierungstätigkeit in der Schweiz. Mit dem Instrument will Ernst Stocker, Finanzdirektor des Kantons Zürich, diese Finanzierungsgesellschaften im Kanton halten. Die zinsbereinigte Gewinnsteuer ist ein Abzug aufs Eigenkapital.

Mutige Finanzdirektoren

«Selbstverständlich sind wir mutig, wir Finanzdirektoren. Aber ich teile die Meinung nicht, dass die Vorlage an der zinsbereinigten Gewinnsteuer gescheitert ist. Meine Analyse ist, dass die Leute sich nicht sicher waren, ob sie am Schluss die Zeche zahlen für die Steuerausfälle, die die Reform für die Schweiz verursacht. Und wenn wir nicht nachweisen können, dass man das refinanzieren kann, dann wird es die Reform wieder schwer haben», so Stocker gegenüber ECO.

Steuervorlage 17

Box aufklappen Box zuklappen

Im Februar hat das Schweizer Stimmvolk die Unternehmenssteuerreform III abgelehnt. Dass eine Steuerrefom aber notwendig ist, darüber waren sich Gegner und Befürworter einig. Bund und Kantone haben deshalb eine neue Vorlage erarbeitet, die sogenannte «Steuervorlage 17». Die Vernehmlassung darüber läuft bis am Mittwoch, 6. Dezember.

Auf Druck der OECD muss die Schweiz ihre Steuerprivilegien für ausländische Konzerne abschaffen. Die «Steuervorlage 17» will dennoch genügend Instrumente für Unternehmen bereithalten, damit die Schweiz im Standortwettbewerb attraktiv bleibt. Dazu zählen Abzüge auf Patente oder auf Forschungs- und Entwicklungskosten. Allerdings nützen diese Instrumente dem Kanton Zürich, wo besonders viele dieser Finanzierungsgesellschaften beheimatet sind, nur bedingt.

Hohe Steuerausfälle befürchtet

Diese Gesellschaften beschäftigen wenige, hochqualifizierte Mitarbeiter, die sich um sämtliche Finanzierungsaktivitäten ihres Mutterkonzerns kümmern. «Wir reden von etwa 40 Finanzierungsgesellschaften. Diese haben heute eine Steuerbelastung von zwei bis drei Prozent. Das ist höchst kompetitiv. Ohne die zinsbereinigte Gewinnsteuer würde die Steuerbelastung im Kanton Zürich schlagartig auf 20 Prozent steigen», rechnet Steuerexperte Armin Marti von PricewaterhouseCoopers gegenüber «ECO» vor.

Nun drohen die betroffenen Gesellschaften mit Wegzug. «Die Drohung ist sehr ernst zu nehmen. Die Gesellschaften sind hier nicht sehr verwurzelt. Eine der Gesellschaften ist bereits dabei, nach Luxemburg umzuziehen. Andere machen Szenario-Planungen und klären, wann Mietverträge von den Räumlichkeiten ablaufen, in denen sie jetzt drin sind», so PwC-Experte Marti weiter. Finanzdirektor

Ernst Stocker rechnet bei einem vollständigen Wegzug ins Ausland mit Steuerausfällen für die Schweiz von insgesamt 400 Millionen Franken. Wie hoch die Ausfälle für den Kanton Zürich wären, will er nicht beziffern.

Auch andere Kantone sind interessiert

Der Kanton Zürich muss versuchen, steuerlich attraktiv zu bleiben. Daran haben auch alle übrigen Kantone Interesse – trotz Steuerwettbewerbs. Denn Zürich ist beim Finanzausgleich grösster Geberkanton. Deshalb unterstützt die Finanzdirektorenkonferenz FDK Zürich in seiner Forderung nach einer «zinsbereinigten Gewinnsteuer». Darüber ist Finanzdirektor Stocker erleichtert, wie er gegenüber «ECO» zugibt: «Man will nicht, dass der Kanton Zürich der Verlierer dieser Reform ist. Denn der Kanton zahlt doch eine halbe Milliarde in den Finanzausgleich.»

Die Kritik, dass Zürich seinen Fokus auf ein paar wenige Firmen richtet, die nicht einmal viele Steuern abliefern und dabei Unternehmen mit Forschungs- und Entwicklungsabteilungen aus den Augen verliert, lässt er nicht gelten. «Wir wollen ja alle diese Instrumente ausnutzen: Patentbox, Forschungs- und Entwicklungsabzug, aber Zürich ist eben auch Finanzplatz. Wir brauchen alles, damit wir mit unserer wahrscheinlich höchsten Steuerbelastung für juristischen Personen in der Schweiz in die Sphären herunterkommen, dass wir das finanzieren können», so Stocker weiter.

180 Millionen Franken mehr Steuereinnahmen

Doch bereits jetzt ist klar, dass eine solche Steuerersparnis nur ein Zwischenschritt für die Schweiz sein kann. Die OECD hat Instrumente wie die «zinsbereinigte Gewinnsteuer» auf dem Radar, warnt René Matteotti, Professor für internationales Steuerrecht an der Universität Zürich: «Die OECD hat bereits in Aussicht gestellt, dass sie solche Instrumente wie Abzüge für Eigenfinanzierungen genauer untersuchen will.

Allerdings ist das ein Projekt, das gerade erst gestartet ist. Wir haben momentan überhaupt keine Anhaltspunkte, in welche Richtungen das gehen wird. Zudem schlägt die EU selber dieses Instrument ja auch vor. Es kann aber durchaus sein, dass die eine oder andere Retusche gemacht werden muss, wenn die OECD einen Standard festsetzen wird.»

Eine langfristige Lösung scheint dieses Instrument somit nicht zu sein. Kurzfristig rechnet Finanzdirektor Stocker jedoch damit, dass er Steuer-Mehreinnahmen von insgesamt 180 Millionen Franken für Kanton und Gemeinden generieren kann – vorausgesetzt, er kann das gewünschte Steuerprivileg anbieten und die umworbenen Gesellschaften bleiben im Kanton.

Meistgelesene Artikel