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Verschärfte Corona-Massnahmen «Es bleibt kein anderer Weg»: Wirtschaft anerkennt Ernst der Lage

Führende Wirtschaftsvertreter stärken dem Bundesrat den Rücken – doch es gibt es auch Schelte für einen «Blindflug».

Harsche Kritik muss man bei Wirtschaftsverbänden lange suchen. Die Skepsis aus Wirtschaftskreisen gegen strengere Schutzmassnahmen des Bundes ist weitgehend verschwunden. So sagt beispielsweise Monika Rühl, die Direktorin des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse: «Die heutigen Massnahmen sind unausweichlich und wir unterstützen den Bundesrat darin.»

Die Massnahmen seien für verschiedene Branchen hart und schmerzlich, so Rühl weiter. «Aber es bleibt kein anderer Weg.» Denn die Lage in den Spitälern sei schlicht zu angespannt. Von einem kompletten zweiten Shutdown, wie im letzten Frühling, will Rühl aber weiterhin nichts wissen.

Arbeitgeberverband begrüsst Massnahmen

Ähnlich tönt es bei Valentin Vogt. Der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes hatte noch diese Woche gesagt: Der Bundesrat solle doch zuwarten und zuerst schauen, ob die bestehenden Einschränkungen genügen würden.

Wenn ich das heutige Resultat anschaue, dann hat der Bundesrat einen gutschweizerischen Kompromiss gemacht.
Autor: Valentin Vogt Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes

Doch jetzt sagt Vogt: «Wir erachten diese Beschlüsse als angemessen und verhältnismässig und begrüssen es, dass der Bundesrat die Massnahmen nicht auf weitere Sektoren der Wirtschaft ausgedehnt hat. Mitte der Woche hat es ja noch danach ausgesehen.»

Damit meint Vogt, dass die Geschäfte grundsätzlich geöffnet bleiben, also auch diejenigen, die keine lebensnotwendigen Güter verkaufen. «Wenn ich das heutige Resultat anschaue, dann hat der Bundesrat einen gutschweizerischen Kompromiss gemacht.»

Gastrosuisse zeigt Verständnis

Noch deutlicher wird der Sinneswandel beim Branchenverband Gastrosuisse. Er hatte sich bisher stets lautstark und vehement gegen Verschärfungen gewehrt. Doch jetzt sagt Direktor Daniel Borner: «Wir haben grosses Verständnis für die Situation und dafür, dass man diese Massnahmen jetzt trifft. Aber der Bundesrat hat uns im Stich gelassen.»

Zwar haben die Behörden in den letzten Wochen und Monaten umfangreiche Hilfen beschlossen, und grosse Summen bereitgestellt. Aber: «Aus unserer Sicht sind derzeit nicht die Gelder entscheidend, die gesprochen wurden – sondern die Gelder, die fliessen. Hier hat sich die Situation seit letzter Woche kaum verändert.»

Wir haben grosses Verständnis für die Situation und dafür, dass man diese Massnahmen jetzt trifft. Aber der Bundesrat hat uns im Stich gelassen.
Autor: Daniel Borner Direktor Gastrosuisse

Hier harzt es vor allem bei den Kantonen: Sie sind zuständig dafür, dass das Geld für Härtefälle auch tatsächlich ausbezahlt werden kann. Doch vielerorts fehlt noch immer die gesetzliche Grundlage für solche Zahlungen.

Gastrosuisse wehrt sich also nicht mehr gegen Restaurant-Schliessungen, sondern konzentriert sich jetzt darauf, genügend rasch Hilfsgelder für die Mitglieder-Betriebe zu bekommen. Denn viele kämpfen inzwischen ums nackte Überleben.

Kritik an «Blindflug» des Bundesrats

Aus der Reihe tanzt einzig der Schweizerische Gewerbeverband. Direktor Hans-Ulrich Bigler ist erleichtert, dass die normalen Geschäfte geöffnet bleiben dürfen. Mit Blick auf die Schliessung von Gastrobetrieben und Fitness- und Sportzentren sagt er aber: «Das ist eine Aktion im Blindflug. Man weiss nicht, wo die Ansteckungen passierten – und die Kosten sind enorm.»

Der Gewerbeverband bleibt also bei seiner bisherigen Haltung. Bei vielen andern Wirtschaftsvertretern haben die sehr hohen Ansteckungszahlen, kombiniert mit den eindringlichen Appellen aus zahlreichen Spitälern in den letzten Tagen, aber offenbar zu einem Stimmungsumschwung geführt.

Gastronomie Sport Kultur- und Freizeiteinrichtungen Einkaufen Quelle: Bundesrat, 18.12.20 Die Massnahmen des Bundesab 22. Dezember bis 22. Januar • Gastronomiebetriebe müssen schliessen. Keine Ausnahmen für die Festtage.• Offen bleiben dürfen Betriebskantinen, Schulkantinen in obligatorischen Schulen sowie die Restauration für Hotelgäste.• Take-away-Angebote und Lieferdienste bleiben erlaubt. • Sportbetriebe müssen schliessen.• Im Freien darf Sport in Gruppen bis maximal fünf Personen weiterhin getrieben werden.• Profispiele können ohne Zuschauer weiterhin stattfinden.• Sportliche Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen vor ihrem 16. Geburtstag sind mit Ausnahme von Wettkämpfen erlaubt. Museen, Kinos, Bibliotheken, Casinos, botanische Gärten und Zoos sowie andere Kultur- und Freizeiteinrichtungen müssen schliessen.• Kulturelle Aktivitäten bleiben in Kleingruppen möglich. Veranstaltungen mit Publikum bleiben verboten. Kundenkapazität in den Läden wirdweiter eingeschränkt.• Maximale Personenzahl ist abhängig von der frei zugänglichen Ladenfläche.• In allen Läden gelten zudem weiterhin strenge Schutzkonzepte.• Die Läden müssen zwischen 19 Uhr und 6 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen geschlossen bleiben. Für die Skigebiete sind die Kantone zuständig.Für den Betrieb gelten strenge Voraussetzungen. Dringende Empfehlung Die Bevölkerung wird dazu aufgefordert,zu Hause zu bleiben. Kantone mit günstiger epidemiologischerEntwicklung können Erleichterungen beschliessen.
Weiterhin gilt: Discos und Tanzlokale geschlossen Erweiterte Maskenpflicht Treffen im öffentlichen Raum mit maximal 15 Personen Private Treffen mit maximal 10 Personen Homeoffice (Empfehlung) Gemeinsamer Gesang nur in Familie und Schule Fernunterricht an Hochschulen Zwei-Haushalte- Regelung (Empfehlung) Quelle: Bundesrat, 18.12.20 13.03.20 Verbot Veranstaltungen > 100 Personen Einführung Schengen-Grenzkontrollen Einreise aus Italien mit Ausnahmen verboten 10 Mrd. Fr. Soforthilfe Kein Unterricht an Schulen Max. 50 Personen in Restaurants, Bars, Diskotheken 18.03.20 Betreibungsverbot bis 19. April Grenzkontrollen und Einreiseverbote ausgedehnt 20.03.20 Versammlungsverbot > 5 Personen Massnahmenpaket von 32 Mrd. Fr. Ausweitung, Vereinfachung der Kurzarbeit 25.03.20 Programm zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen (20 Mrd. Fr.) Anpassungen bei Kurzarbeitentschädigung 03.04.20 Bürgschaftsvolumen für Liquiditätshilfen auf 40 Mrd. Fr. erhöht 08.04.20 Shutdown bis 26. April verlängert, schrittweise Lockerung Ende April Ausweitung Kurzarbeit 16.03.20 «Ausserordentliche Lage» Einsatz von rund 8000 Armeeangehörigen in Spitälern, Logistik und Sicherheitsbereich Grenzkontrollen zu Deutschland, Österreich und Frankreich sowie Einreiseverbote Geschäfte müssen schliessen (ausser Lebensmittelläden und Gesundheitseinrichtungen)

Echo der Zeit vom 18.12.2020, 18 Uhr

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