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Eine Welt, in der man sich den Geliebten, Gärtner, die Tochter die Grossmutter im Kaufhaus kaufen kann: Das Buch «Kauft Leute»
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Kauft Leute!

Sind Sie auf Partnersuche? Dann vergeuden Sie Ihre Zeit nicht länger mit halbgaren Flirtversuchen oder Profilstudien auf Dating-Seiten im Internet: Gehen Sie ins Kaufhaus und suchen Sie sich im Schaufenster Ihren neuen Schatz aus!

Der Österreicher Jan Kossdorff hat in seinem Roman «Kauft Leute» ein Szenario entworfen, das Angst macht und gleichermassen fasziniert: Eine Welt, in der man sich den Geliebten, den Gärtner, die Tochter oder die Grossmutter im Kaufhaus posten kann. Wo sich die Berufsmusikerin mit  Trompete und von ihrer besten Seite präsentiert und eine Kostprobe ihres Könnens gibt. Die interessierten Käufer begutachten das musikalisches Objekt im Schaufenster und erhalten per Knopfdruck Informationen über Herkunft und Preis.

Caro, Ende 20, war in der Werbung tätig und ist aus dem Tritt geraten, verbrachte einige Zeit in einer virtuellen Game-Parallelwelt. Als sie wieder in realweltlichen Sphären ankommt, braucht sie einen Job. Und findet ihn bei Hümania, einem Menschen-Kaufhaus, das kurz vor Wien seine Tore öffnet. Anhand der Geschichte von Caro erfährt man als LeserIn die Geschichte von Hümania, dem Personal und vor allem: Der Ware Mensch. Die zumeist verschuldet ist und sich bei Hümania verpflichtet hat und lebenslänglich an die neuen Besitzer verkauft wird.

Einzelne Figuren werden im Roman aus der Verkaufsmasse herausgepickt. Mona oder Trompetra zum Beispiel, der Kommodore oder Christian. Niemand steht freiwillig im Schaufenster. Und nicht alle sind bei ihren Käufern glücklich. Die Käufer dürfen die Ware retournieren, wenn sie ihnen nicht passt, die Ware aber darf - eigentlich - nicht gehen. Es kommt der Tag, an dem die zum Verkauf stehenden Menschen aufbegehren.

«Kauft Leute» von Jan Kossdorff berüht sehr und - sehr seltsam. Mit einer Mischung aus Neugierde und Abscheu liest man sich durch diesen was wäre wenn-Roman. Und kauft nicht mehr mit denselben Gedanken ein. Oder anders: Denkt beim Kaufen nach. Ist es nötig, dass wir aus 20 verschiedenen Pasta-Sorten auswählen können? Oder ist es Zeit, dass wir dem Konsumirrsinn mit seiner immer billigeren und massenweise produzierten Ware Einhalt gebieten - bevor irgendwelche verschrobenen geldgierigen Gewissenlose tatsächlich den Menschen als Ware anbieten.

Leseprobe, der Anfang de Buches, Seite 7:

Zwischen dem weitläufigen Gelände eines Golfplatzes und der Ausstellungs-Welt eines Fertighaus-Erzeugers im Süden von Wien befand sich ein etwa zwei Hektar grosser, von hohen Holzverschlägen umzäunter Grund, auf dem seit einem Jahr unermüdlich gebaut wurde. Lange wussten nur die direkt in den Planungs- und Bauprozess eingebundenen Personen, was hier entstehen sollte, und verschiedene Theorien machten unter den Uneingeweihten die Runde. So tippten viele auf ein exklusives Desingermarken-Outlet. Andere glaubten zu wissen, dass ein Baumarkt aufmachen würde, möglicherweise der grösste des Landes. Als hartnäckig erwies sich auch der Irrglaube, auf dem Gelände solle ein Vergnügungspark entstehen. (...) All diese Hypothesen stellten sich als falsch heraus, wenn auch jede zumindest ein bisschen Wahrheit enthielt. Als schliesslich das sechs mal drei Meter grosse Schild mit der Aufschrift «HIER ERÖFFNET IN KÜRZE DER GRÖSSTE HÜMANIA-MARKT EUROPAS!» neben dem Haupttor des Baugeländes aufgestellt wurde, herrschte sogleich allergrösste Aufregung.

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