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Erich Kästner: Der Gang vor die Hunde (Atrium)
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 29 Sekunden.
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Kästner in voller Länge

Als Erich Kästner 1931 seinen grundehrlichen Grossstadtroman "Der Gang vor die Hunde" veröffentlichen wollte, war sein Verlag nicht einverstanden.

Zumindest nicht mit einigen erotische, wie auch anderweitig verbal expliziten Passagen. Aus Angst vor Zensur, die sozusagen am Vorabend des zweiten Weltenkriegs auch angebracht war, wurden ein Kapitel und einige Passagen aus dem Buch gestrichen. Auch der von Erich Kästner gewählte Titel "Der Gang vor die Hunde" durfte nicht bleiben. So erschien "Fabian" - ein Roman, dem manch einer von uns in der Schule begegnet ist. Der Atrium Verlag hat nun erstmals den ursprünglichen Roman veröffentlicht, so wie er von Kästner gemeint war.

Es ist ein Grossstadtroman, und Kästner schafft es ganz unvergleichlich, dies auch stilistisch umzusetzen. Die zittrige, labile Atmosphäre von Berlin anfangs der 1930 bildet sich in der atemlosen, montierten Sprache ab. Erich Kästner erzählt von Jakob Fabian - und ein bisschen auch von sich, der Roman hat autobiografische Züge. Fabian verliert während des Romans seine Stelle als Werbetexter und seinen besten Freund - er verliebt sich, aber die Liebe steht unter einem schlechten Stern.

Wer ist Freund, wer Feind in diesem zunehmend nazionalsozialistisch geprägten Berlin? Fabian ist ein Suchender, ein Moralist, einer, der sich mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält, seinen Kummer über den aufkeimenden Hass und die Agressivität aber auch gerne ertränkt. Viele Szenen des Buches spielen in Bars, Bordellen oder Künstlerateliers. Der Roman ist ein hervorragend erzähltes Zeitdokument mit bissigem Humor - und mit seinen Fragen zur menschlichen Moral aber auch ein zeitloses Buch.

Leseprobe, Seite 54:
In diesem Augenblick hörten beide einen Schuss und einen Aufschrei, und kurz darnach drei Schüsse aus anderer Richtung. Labude rannte ins Dunkel, die Brücke entlang, auf das Museum zu. Wieder klang ein Schuss. "Viel Spass!", sagte Fabian zu sich selber, während er lief, und suchte, obwohl sein Herz schmerzte, Labude zu erreichen.
Am Fuss des märkischen Roland kauerte ein Mann, fuchtelte mit einem Revolver und brüllte: "Warte nur, du Schwein!" Und dann schoss er wieder über die Strasse weg auf einen unsichtbaren Gegner. Eine Laterne zerbrach. Glas klirrte aufs Pflaster. Labude nahm dem Mann die Waffe aus der Hand, und Fabian fragte: "Warum schiessen Sie eigentlich im Sitzen?"

Erich Kästner: Der Gang vor die Hunde
Atrium Verlag, 319 Seiten
ISBN: 978-3-85535-391-0

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