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Medikamentenstudien landen oft in der Schublade

Medikamentenstudien mit negativen Resultaten verschwinden nicht selten in der Schublade von Forschern oder Pharmafirmen. So auch im Fall von Reboxetin: Bei diesem Medikament gegen Depressionen wurden offenbar fast drei Viertel der verwertbaren Daten vom Hersteller zurückgehalten.Das Medikament Edronax mit dem Wirkstoff Reboxetin ist in der Schweiz seit rund zehn Jahren als Behandlungsmethode gegen schwere Depressionen und chronisch depressive Verstimmungen zugelassen. Reboxetin wirkt nichtDeutsche Wissenschaftler kommen nun zum ernüchternden Schluss: Reboxetin ist unwirksam und sogar potentiell schädlich. «Wir sehen keinen Unterschied in der Wirkung im Vergleich zu Placebos, gleichzeitig sehen wir, dass das Präparat schlechter wirkt als andere Antidepressiva», sagt Studienmitautorin Beate Wieseler vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in Köln (IQWIG). Negative Studien nie veröffentlichtZuvor waren mehrere andere Übersichtsstudien zu einem positiveren Schluss gekommen. Das ist aus heutiger Sicht wenig erstaunlich, denn die Studien, die nun zur negativen Bewertung geführt haben, sind nie veröffentlicht worden. Beate Wieseler und ihre Kollegen wurden auf die Studien erst aufmerksam, als sie in Datenbanken, Kongressberichten und Zulassungsunterlagen Nachforschungen anstellten.Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic, das für die Zulassung von Reboxetin in der Schweiz verantwortlich ist, hat bereits aufgrund des Zwischenberichts des IQWIG bei Pfizer eine Stellungnahme angefordert. Diese werde zur Zeit geprüft und bei Bedarf die Zulassung von Reboxetin entzogen, sagt Swissmedic-Sprecher Joachim Gross. Reboxetin ist kein EinzelfallEin Einzelfall ist Reboxetin nicht. Studien mit positiven Resultaten würden generell eher veröffentlicht, während solche mit negativen Resultaten oft in der Schublade verschwinden, sagt Elisabeth Loder, Epidemiologin in Boston und assozierte Herausgeberin des «British Medical Journals». Der Fall des Antidepressivums Edorax von Pfizer zeigt: Es ist höchste Zeit zu handeln. Eine Möglichkeit wäre ein zentrales und internationales Register, in das jede einzelne Studie vor Beginn eingetragen werden muss - mit der Anzahl Patienten, der vermuteten Wirkung des Medikaments und den geplanten Auswertungsmethoden. Dann wäre es einfach nachzuprüfen, ob eine Forschergruppe oder ein Pharmaunternehmen auch wirklich alle Resultate veröffentlicht. Zwar gibt es solche Register in gewissen Ländern bereits, aber sie sind nicht oder nur ungenügend vernetzt und vor allem: Die meisten sind nicht obligatorisch.

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