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Jens Nielsen: Das Ganze aber kürzer

Ein Buch wie der Frühling, der in dieser Woche endlich stattfindet: Bezaubernd und unberechenbar - man weiss nie, wann die Wetterlage kippt.

 

In diesem poetischen Buch finden sich drei Geschichten: «Niagara», «Die Uhr im Bauch» und «1 Tag lang alles falsch machen», die alle hinter die Kulissen des Lebens blicken. Die Geschichten kommen ohne Punkt und Komma daher und aus, Zeile steht über Zeile über Zeile:

Ich mache anders Doppelpunkt
Schief von vornherein
Schief als Wille und Entschluss
Falsch als Plan und Absicht
Mein neues Elixier heisst Falschmachen

Es sind Texte, die man laut lesen oder vorlesen kann, die man sich noch besser vorlesen lässt, am besten vom Zürcher Schauspieler und Autor Jens Nielsen selber. Die drei Texte im Buch «Das Ganze aber kürzer» sind die Grundlagen seiner herausragenden EinMann-Bühnenprogramme.

Schief als Wille und Entschluss

Der oben zitierte Auszug stammt aus dem Text «1 Tag lang alles falsch machen». Die Geschichte: Die männliche Ich-Figur zählt erst auf, was alles falsch laufen kann, in der Liebe, im Flugzeug, in der Kirche. Das, was falsch läuft, ohne dass man es verhindern kann. Seine Schlussfolgerung besticht: Wenn er einen Tag lang extra alles falsch macht, kann nichts mehr zufällig falsch laufen. Er löst ein Billet an der Tramhaltestelle. Steigt anstatt ins Tram auf den Windhund einer herausgeputzten Frau und besteht auf seine Fahrt:

Hü Hund
Aber der Hund kann jetzt nicht hü
Und ich bemerke nebenbei dass ich auf diesem Hund
der einzige Fahrgast bin
Vielleicht wegen der Zwischensaison

Der Leser pendelt hin und her. Weiss, dass der Mann alles falsch macht. Falsch und nicht richtig. Richtig, so wie man richtig sein gelernt hat. Und spielt gleichzeitig mit dem Gedanken, das Buch zuzuschlagen und das «Fälscheste» zu tun, was ihm die Fantasie serviert. Unberechenbar zu sein.

Das Absurde und Groteske in Jens Nielsens Text «1 Tag lang alles falsch machen» zeigt, was Menschen im Stillen bewegt. Unsicherheit. Die Hilflosigkeit angesichts der Tatsache, dass wir Fehler machen, Dinge missverstehen und immer wieder scheitern. Bezaubernd, wie der Autor Angstgedanken ad absurdum führt und sich nie darüber lustig macht.

Im Buch «Das Ganze aber kürzer» wird der Zeitnerv getroffen, aber kein Trend heraufbeschworen, mit Inhalt und Wörtern gespielt und die Leserschaft zu bezaubernden Gedankenspielen verführt.

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